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19. 03. 2024
Erfurt und der Waidanbau in Thüringen PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Monika Schiecke   
05. 07. 2006


Wie keine andere Kulturpflanze prägte der Färberwaid (Isatis tinctoria) das Wirtschaftsleben Thüringens im 13. bis 16. Jahrhundert.
Als wichtigste Farbstoff liefernde Pflanze des Mittelalters in Europa brachte der Waid, eng verbunden mit der Entwicklung der Weberei und des Tuchgewerbes, in und außerhalb Thüringens breiten Bevölkerungsschichten für vier Jahrhunderte Verdienst und Wohlstand.

In der Blütezeit des Waidanbaus und -handels bezeichneten Zeitgenossen den Waid als das „Goldenes Vlies Thüringens“.

Die Kenntnis eines feldmäßigen Anbaus des Waids in Thüringen wird auf die Slawen zurückgeführt.
Die Landgüterordnung Karls des Großen aus dem Jahre 795 nennt den Waid in Verbindung mit Flachs und Wolle und lässt bereits zu dieser Zeit auf einen Anbau schließen.
Das trockene und warme Klima der Thüringer Ackerebene mit ihren kalkhaltigen und tiefgründigen Keuper- und Muschelkalk-Verwitterungsböden mit Lößauflage begünstigte die Erzeugung von Waid hoher Qualität. Vor allem im Gebiet zwischen den Städten Erfurt, Langensalza, Gotha, Arnstadt und Weimar bildete sich besonders zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert ein geschlossenes Anbaugebiet heraus.

Der Thüringer Waid war anderenorts angebautem Waid (Niederrheingebiet um Jülich; Gebiet um Nürnberg; Oberschlesien) dank seiner hohen Färbekraft überlegen und bei den Färbern besonders begehrt.

Aber auch die zentrale Lage des Thüringer Beckens mit seiner Anbindung an wichtige Handelsstraßen in Ost-West-(Via regia) und Nord-Süd-Richtung dürfte für den Anbau von Waid und besonders für einen Fernhandel von Vorteil gewesen sein.

Der Waid gehört zur Pflanzenfamilie der Kreuzblütler und ist in seiner Lebesdauer zweijährig. Im ersten Jahr bildet die Waidpflanze auf tiefer Pfahlwurzel eine Rosette mit zahlreichen Grundblättern, um derentwillen sie für die Farbstoffgewinnung angebaut wurde. Erst im zweiten Jahr kommt es zur Ausbildung eines 50 bis 100 cm hohen Blütenstandes mit gelben Blüten und zur Samenbildung.

Der Anbau des Waids im mittelalterlichen Thüringen erfolgte auf im Herbst tief gepflügtem Acker durch breitwürfige Aussaat im Dezember oder im zeitigen Frühjahr.
Die Erzeugung kräftiger Pflanzen und unkrautfreien Erntegutes setzte arbeitsaufwendiges Ausdünnen und Jäten der Bestände voraus. Die Ernte der Blätter erfolgte durch Abstoßen mit dem Waideisen in kniender Körperhaltung.

Dabei musste darauf geachtet werden, dass einerseits der Zusammenhalt der Blätter als Büschel gewahrt blieb, andererseits der Wurzelkopf nicht verletzt wurde, so dass ein Wiederaustrieb für eine zweite und bei günstiger Witterung für eine dritte Ernte (besonders bei Wintersaat) gegeben war.

Die Blätter wurden in einem fließenden Gewässer gewaschen und auf Wiesen (Waidrasen) zum Trocknen und Anwelken ausgebreitet. Die Aberntung eines Ackers Waid (z.B. in Gotha 0,2269 ha, in Erfurt 0,2642 ha) erforderte 10 Arbeitskräfte pro Tag, so dass Bauern mit größeren Anbauflächen auf die Hilfe fremder Arbeitskräfte angewiesen waren.


Der Pfarrer Heinrich Crolach berichtet 1555, dass sich zur Erntezeit des Waids Wanderarbeiter aus der Lausitz und aus Schlesien als Tagelöhner verdingten.
Die angewelkten Waidblätter wurden auf Waidmühlen, die meist Eigentum der Gemeinden waren, zu einer breiartigen Masse zerquetscht und zerrieben. Eine Waidmühle bestand zu diesem Zweck aus einem aufrecht laufenden Mühlstein von 1,65 m1) Durchmesser und 0,48 m Dicke mitgezähnter Lauffläche, der auf einer kreisförmigen, aus Steinplatten gebildeten Tenne (3,60 m im Durchmesser) lief. Der Antrieb des Mühlsteins erfolgte göpelartig durch Pferde.

Aus der zerquetschten Blattmasse formten Frauen von Hand ungefähr faustgroße Waidballen (Waidbälle), die nach ihrer Trocknung auf Waidhorden als so genannter Ballenwaid von den Bauern auf den Markt in der Stadt gebracht wurden. Der Ballenwaid stellte ein Halberzeugnis dar, das durch die Bauern entsprechend dem allgemein geltenden Gebot, Gewerke und Gewerbe nur in den Städten zu betreiben, nicht weiter aufbereitet werden durfte.

Der von Waidhändlern aufgekaufte Ballenwaid wurde in ihren Waidhäusern eingelagert, um hier in den Herbst- und Wintermonaten zum Fertigerzeugnis, dem Waid-Farbpulver, aufbereitet zu werden.
Diese Arbeit verrichteten die Waidknechte, die die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen dafür besaßen und im Dienste der Waidhändler standen. Die trockenharten Waidballen wurden auf den Böden der Waidhäuser mit Waidhämmern (Plöcher) zerschlagen und zu Haufen geschüttet. Durch Begießen der Haufen mit großen Mengen Wasser begann unter starker Dampf- und Hitzeentwicklung ein Gärungs- bzw. Fermentationsprozess, der sich über mehrere Wochen erstreckte.

Im Verlauf des Fermentationsprozesses waren mehrere Arbeitsgänge erforderlich, die sich unterBeachtung von Ruhepausen für die Fermentation wiederholten.

Die Haufen mussten auseinander gerissen und die Waidmasse gewendet, zerkleinert sowie erneut aufgehäuft und mit Wasser befeuchtet werden. Entscheidend für die Färbekraft des erzeugten Farbpulvers war die Einhaltung einer für die Fermentation optimalen Temperatur.

Die Blätter des Waids enthalten nun eine farblose Vorstufe (Isatan B) des für den Waid charakteristischen blauen Farbstoffs (Indigo). Erst beim Zerquetschen der Waidblätter in der Waidmühle und im Verlauf des Fermationsprozesses auf den Böden der Waidhäuser wurde diese Vorstufe unter Einwirkung eines in der Waidpflanze enthaltenen und freigesetzten Ferments (Isatase) in Indigo überführt.

Nach Trocknung und Siebung wurde der aufbereitete Waid, das fertige Waid-Farbpulver, das eine taubenmistähnliche Beschaffenheit und Farbe aufwies, in Fässern aus Tannenholz zum Verkauf und Versand verpackt.

Das Färben mit Waid war ein komplizierter Vorgang, den die Färber nach wohlgehüteten Rezepturen durchführten. Die Färberbrühe (Küpe) wurde mit warmem Wasser in beheizbarenKupfergefäßen angesetzt und enthielt neben dem Waidpulver Zusätze von Kleie, Krapp (pulverisierte Wurzel der ebenfalls im Mittelalter gebauten Färberröte [Rubia tinctoria L.]) und vor allem Pottasche.

Krapp und Kleie förderten bei der Küpe ebenfalls eine gewünschte Gärung, während die Pottasche der Neutralisierung der bei der Gärung entstandenen Säuren diente.

In Abhängigkeit von der Menge des Farbpulvers im Ansatz der Küpe, der Nutzungsdauer der Küpe durch nachlassende Färbekraft und der Menge des zugefügten Krapps wurden mit Waid die Farben schwarz, blau, braun und grün in abgestuften Tönen erreicht. Damit war der Waid fast Universalfarbstoff des Mittelalters.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam in ungefähr 300 thüringischen Dörfern Waid zum Anbau. Bei einer geschätzten Anbaufläche von 40 bis 50 Acker/Dorf ergibt sich für das Thüringer Anbaugebiet zu dieser Zeit eine Gesamtfläche von ungefähr 15.000 Acker (rund 3.750 ha), die mit Waid bestellt waren.2)

Wie keine andere Kulturpflanze prägte der Färberwaid das Wirtschaftsleben Erfurts vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. Der Waidpfad, eine kleine Straße am östlichen Stadtrand, vor allem aber der Waidmühlenweg nördlich der Innenstadt und die Straße an der Waidwäsche im Südosten Erfurts (Ortsteil Melchendorf) lassen an die Fertigung des Ballenwaides durch die Waidbauern denken.

Eine genauere Aussage über den Umfang des Waidanbaus im Gebiet der Stadt Erfurt gestatten die Waidregister, die Angaben über die Zahl der Waidbauern, über die Waidanbaufläche sowie über das zu entrichtende Waidgeld (Waidpfennig) für den Waidanbau enthalten.
Im Jahre 1579 bauten so 1.774 Waidbauern in 49 Dörfern auf 4.857 Acker (rund 1.838 ha) Waid.¹)

In Zeiten blühenden Waidhandels erlangten die Waidbauern aus dem Waidanbau auch nach Abzug der Aufwendungen für in Anspruch genommene Lohnarbeit und für das Waidgeld beträchtliche Geldmengen.

Da der Waid darüber hinaus vorwiegend auf Brachflächen im Rahmen der extensiven Dreifelderwirtschaft angebaut wurde,ging sein Anbau nicht zu Lasten des Anbaus von Getreide, sondern führte zu einer Intensivierung des Ackerbaus und zu einer Erhöhung der Einnahmen.

Die Bauern waren dem Marktzwang unterworfen und mussten den Ballenwaid auf dem Markt von Städten mit dem Recht des Waidhandels zum Kauf anbieten. Diese Städte waren vor allem Erfurt, Gotha, Arnstadt, Langensalza und Tennstedt. Sie werden als die fünf Waidstädte Thüringens bezeichnet.

Bis in das 17. Jahrhundert nahm Erfurt unter ihnen eine herausragende Stellung im Waidhandel ein. Aber auch in Mühlhausen, Weimar, Greußen, Weißensee und Naumburg wurde Waidhandel betrieben.

Der Verkauf des Ballenwaids erfolgte zunächst nach „Schock Waidballen“ und später nach einem Schüttmaß (Kübel) und war durch Vorschriften streng geregelt. In Erfurt waren vier vereidigte Waidmeister bestellt, die im Auftrag des Rates der Stadt über die Einhaltung erlassener Ordnungen (Zuchtbrief von 1351; Waidordnungen aus dem 15. bis 18. Jahrhundert) wachten.
Dazu gehörte neben dem Vermessen des Ballenwaids auch die Überprüfung seiner Färbekraft. Zur Qualitätsprüfung wurden einzelne Waidkugeln zerschlagen und angefeuchtet. Mit einzelnen Stücken wurden anschließend Probestriche auf Papier oder weißen Stein gezogen. Waren diese Striche dann nur schwach zu erkennen oder hatten sie einen schmutzigen Farbton, dann war der Waid mit Unkraut durchsetzt und eher wertlos. War der Farbton dagegen lichtblau oder grün, so sprach dies für beste Qualität.

Erfurts Anger (früher "Weydtmarkt") war seit 1531 der Markt, wo allein der Ballenwaid verkauft werden durfte. Von Trinitas (1. Sonntag nach Pfingsten) bis Michaelis (29. September) fand dort täglich außer an Sonn- und Feiertagen der waidhandel statt. Bis zu 300 hochbeladene Pferdefuhrwerke fanden sich so an den fast täglich stattfindenden Markttagen ein, so dass in Erfurt der größte Waidmarkt Mitteleuropas stattfand und hier über fast 400 Jahre Bestand hatte. Der Markthandel begann nach Erklingen der Waidglocke vom Turm der Vitikirche, die 1809 abgerissen wurde. Die Waidhändler mussten übrigens Bürger der Stadt sein.

Viele Häuser in der Altstadt, wie die des heutigen Theaters Waidspeicher, erinnern an die Tradition des Färberwaids. In den Dachböden der Häuser "Zum Roten Ochsen", "Zum Breiten Herd", "Zum Paradies und Esel", "Zur Windmühle" und zum "Stockfisch" sind ebenfalls Produktionsstätten des Färberwaids wieder zu erkennen. Sie wurden von Waidhändlern errichtet und demonstrieren zugleich den Reichtum, den Waidherstellung und Waidhandel bescherten.

Bereits für die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts ist der Fernhandel mit Thüringer Waid nachweisbar. Als wichtige Märkte für Waid aus Thüringen entwickelten sich die Zentren des Tuchgewerbes in der Oberlausitz und in Schlesien. Die Waidhändler zogen zunächst als Wanderhändler mit ihren Fuhrwerken nach Görlitz und Breslau und weiter nach Polen. Im Jahr 1339 erhielt die Stadt Görlitz das Stapelrecht für Waid.

Damit war für die Waidgäste (Waidhändler) die Auflage verbunden , dass jeglicher Waid, der in die Markgrafschaft Oberlausitz gelangte, für vier Wochen in Görlitz niedergelegt und zum Verkauf angeboten werden musste. Erst nach dieser Zeit durften die thüringer Waidhändler den nichtverkauften Waid nach Schlesien und Polen weiterführen. Mit dem Stapelrecht war auch die Benutzung vorgeschriebener Straßen (Straßenzwang) für den Transport des Waids verbunden. Als Rückfracht nahmen die Waidhändler Wachs, Leder und Tuche mit nach Thüringen, so dass sich über den Waidhandel weitere Handelsbeziehungen knüpften. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundertsließen sich die Thüringer Waidhändler zunehmend durch im Lohnverhältnis stehende Handelsdiener in Görlitz vetreten und im 16. Jahrhundert kam es zur Gründung von Handelsniederlassungen (Faktoreien).

Im oberdeutschen Raum war Nürnberg, wo sich die Tuchfärberei als spezielles Gewerbe herausgebildet hatte, ein bedeutender Abnehmer für Waid aus Thüringen. Über die Messe in Nördlingen gelangte Thüringer Waid in Gebiete der Tucherzeugung von Franken, Schwaben und des Donauraumes.

Frankfurt a.M. War ebenfalls ein wichtiger Stapelplatz für Thüringer Waid, insbesondere aus Nordthüringen. Von hier aus wurde das Tuchgewerbe in den mittelrheinischen Städten mit Waid versorgt. Selbst Köln als Markt für das Waidanbaugebiet am Niederrhein erhielt Zufuhr von Waid aus Thüringen, der wahrscheinlich von hier auch in die Tuchgewerbezentren Flanderns und der Niederlande gelangte.

Ziel des Fernhandels mit Waid in nördlicher Richtung waren hansische Küstenstädte, vor allem Bremen, Lübeck, Hamburg und Rostock. Der Transport des Waids nach Bremen wurde teils auf dem Wasserwege über Werra und Weser vorgenommen. Es ist nazunehmen, dass Thüringer Waid über die hansischen Küstenstädte auch über Nord- und Ostsee, u.a. nach England, ausgeführt wurde.

Der Fernhandel mit waid brachte viel fremdes Geld nach Thüringen. Insbesondere die Waidhändler, die nicht nur mit Waid, sondern auch mit anderen Landesprodukten bzw. Mit Waren aus Rückfrachten handelten, kamen rasch zu Wohlstand und Reichtum. Die Gerechtsbücher (Steuer-) der Waidstädte weisen aus, dass sie zu den vermögendsten Bürgern gehörten. In Erfurt wurden siewegen ihres Reichtums Waidjunker genannt. Nicht wenige von ihnen spielten im gesellschaftlichen Leben der Städte eine bedeutende Rolle und hatten in den Räten Sitz und Stimme. Von ihrem Reichtum künden noch heute prächtige Bürgerhäuser.

Was Waidhandel einbrachte, zeigt die Bilanz des Jahres 1617 vom Waidhändler Hiob von Stotternheim. Er exportierte 3.080 Kübel Färberwaid. Das erbrachte Einnahmen von 125.159 Gulden.
Davon blieben ihm als Jahresgewinn 28.475 Gulden. So wundert es auch nicht, dass laut Ratsordnung von 1612 der Waid als „die fürnehmste Nahrung in dieser Stadt“ bezeichnet wurde.
Andererseits war der Waidhandel durch zeitweiligeUnsicherheit auf den Handelsstraßen und durch säumige Bezahlung der Ware durch auswärtige Abnehmer mit Risiken verbunden. Auch erforderte der Waidhandel, bedingt durch die lange Umschlagzeit zwischen Aufkauf des Ballenwaids und dem Verkauf des Farbpulvers von mindestens einem Jahr, einen hohen Kapitalbedarf. Erfurter Waidhändler schlossen sich deshalb miteinander, aber auch mit Kaufleuten in Städten des Waidabsatzes (Görlitz, Nürnberg) zu Handelsgesellschaften zusammen. Neben den Waidhändlern und Waidbauern zogen Angehörige verschiedener Gewerke und Gewerbe (Böttcher, Fuhrleute, Schiffer, Krämer, Gastwirte) mittelbar Nutzen aus einem blühenden Waidanbau und -handel.
Der Waid war auch eine wichtige Steuerquelle für die Waidstätte und die jeweiligen Landesherren. Die Waidbauern des Erfurter Gebietes mussten entsprechend der Menge an erzeugtem Ballenwaid den so genannten Waidpfennig als Ungeld (bereits 1250 urkundlich erwähnt) entrichten. Beim Verkauf des Ballenwaids hatte der Käufer für jeden Kübel Waidgeld an die Stadt abzuführen. Auch der Verkauf des Farbpulvers war mit einer Abgabe belastet. Zeitweise wurde für ausgeführten Waid Geleitsgeld oder Waidzoll je Fuhrwerk durch die Landesherren erhoben.

Der blühende Waidanbau- und -handel und die steuerlichen Einnahmen daraus versetzten die Stadt Erfurt in die Lage, ihren Landbesitz durch Erwerb von Dörfern beträchtlich zu erweitern.
Vermutlich trug der Waid dazu bei, dass die Erfurter Bürger im Jahre 1392 auf eigene Kosten die Universität gründen konnten.

Vom Waidverkauf profitierten neben den Waidjunkern und der Stadt auch Handwerker und das gesamte örtliche Markttreiben. Dieses Markttreiben hatten Kaiser und Könige gefördert: 805 bestimmte Karl der Große Erfurt zu einem der Grenzhandelsplätze im Osten seines Großreiches. Am 24.12.1331 verlieh Kaiser Ludwig der Bayer Erfurt ein erstes Messeprivileg. 1472 erteilte Kaiser Friedrich II. der Stadt ein zweites Messerecht. 1497, am 17. Juli bestimmte König Maximilian I. von Habsburg, dass eine Messe zu Pfingsten, die andere zu Martini (11. November) beginnen sollte. Derartige Vorrechte haben Erfurt zu einem bedeutenden Handelsplatz werden lassen.

Die Tatsache, dass Waid im Mittelalter erheblich über den Bedarf der Region hinaus produziert wurde, hatte auch zur Folge, dass die Textilproduktion und -veredlung in Erfurt selbst einen Aufschwung erlebte. Die Wollweber zählten bereits zu den neun großen Zünften. Auch die Färberinnung, die zu den neun kleinen Zünften zählte, brachte es nun zu einigem Wohlstand. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts tätigte siensie in der Barfüßerkirche recht kostspielige Spenden, wie z.B. zum „Färberaltar“ oder für die farbige Verglasung der Kirchenfenster.

Die Waidstädte waren deshalb darauf bedacht, ihre Einnahmen nicht durch Unterlaufen des Markt- und Straßenzwanges durch fremde Händler oder des stadtwirtschaftlichen Rechts der Aufbereitung des Ballenwaids durch die Dörfer schmälern zu lassen. Diesbezügliche Beschwerden und Eingaben der Waidstädte und Erlasse der Landesherren als Antwort geben davon Zeugnis.

Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts setzte ein Preisverfall für das Waidpulver ein. Der Farbstoff Indigo, der in Indien und später in Ländern Mittelamerikas, aber auch in Nordamerika (South Carolina) billiger erzeugt wurde, drängte zunehmend als Konkurrent auf den Markt. Der mit dem Indigo aus Waid chemisch identische „Kolonial“-Indigo wurde aus Arten des zu den Schmetterlingsblütlern gehörenden Indigostrauches (Indigofera L.) gewonnen.


Beschleunigt wurde der Rückgang im Waidanbau durch den dreißigjährigen Krieg mit seinen vor allem für den Fernhandel abträglichen Folgen. 1629 ist in Thüringen nur noch für 30 Dörfer auf 675 Acker Waidanbau nachgewiesen.

Erfurts Einwohnerzahl schrumpfte z.B. Von ca. 20.000 auf 13.000. Als 1684 auch noch eine Pestepidemie tausenden Bürgern das Leben kostete, soll die Einwohnerzahl nur noch etwa 7.000 betragen haben. Handwerk und Handel gingen rapide zurück. Hatte man vor dem Krieg noch 79 Waidhändler gezählt, so gab es nach 1648 nur noch 19.
Waidpulver fand zunehmend nur noch als Zusatz zur Küpe aus Indigo Verwendung. Auch Verbote zur Indigo-Verwendung durch die Tuchfärber konnten den Verfall des Waidanbaus und -handels nicht aufhalten. Bereits 1577 sah eine kaiserliche Polizeiordnung ein Verbot der „Teufelsfarbe“ Indigo vor. Es folgten mehrere Reichsverordnungen (Landesgebrechenabschiede 1650, 1654, 1661) gleichen Inhalts und Sinnes.
Es hat nicht an Bestrebungen und Versuchen gefehlt, den Waidanbau in Thüringen und anderenorts wieder zu beleben. In einer Art Denkschrift („Weyd Bedencken“) an den Kurfürsten von Sachsen stellte Laurentius Niska 1631Vorteile und Nutzen des Waidanbaus für Thüringen aus merkantilistischer Sicht heraus. Er betonte insbesondere die größere Beständigkeit und Güte der Waidfarbe gegenüber dem Indigo.

Der Siegeszug des billigeren Indigos war jedoch nicht aufzuhalten. 1747 betrieben nur noch drei Erfurter und zwölf Gothaer Dörfer Waidanbau. Bis 1802 verringerte sich die Zahl der Waid anbauenden Dörfer im Gothaer Land auf sieben.

Unter dem Einfluss der Napoleonischen Kontinentalsperre (1806 bis 1813) schien der Waidanbau neue Impulse zu erhalten. 1811 stellte der Erfurter Chemiker und Apotheker J.B. Trommsdorff, Mitglied der Erfurter Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften, ein neues Verfahren zur

Gewinnung von Waid-Indigo auf der Grundlage von frischen Waidblättern vor, dass sich durch Extraktion des Farbstoffs wesentlich einfacher und ökonomischer gestaltete als das aufwendige mittelalterliche Verfahren der Waidpulver-Gewinnung und zu reinerem Farbstoff führte.
Trommsdorff konnte sich bei seinen Arbeiten auf Ergebnisse bereits in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhundert an der Erfurter Akademie durchgeführter Untersuchungen zu dieser Problematik stützen.4)
Die auf der Grundlage des Verfahrens von Trommsdorff 1812 in Erfurt gegründete Waidindigo-Fabrik hatte jedoch keinen langen Bestand. Ursache war nicht allein die Aufhebung der Kontinentalsperre, sondern auch die geringere Ausbeute an Farbstoff im Vergleich zum Indigostrauch.

Auch andere zur Wende des 18. und 19. Jahrhunderts entstandene Waidfabriken in Erfurt, Neudietendorf (Herrnhuter Brüdergemeinde), Molschleben und Mühlberg mit zum Teil verbesserter Technologie der Waidindigo-Gewinnung hielten sich nicht über die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.

In Gotha war bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts die Erzeugung von Waidpulver zum Erliegen gekommen. Der in den Dörfern des Herzogtums Sachsen-Gotha erzeugte Ballenwaid wurde fortan auf die Märkte in Langensalza und Erfurt zum Verkauf gebracht oder selbst zu Waidpulver verarbeitet.


1761 war das Verbot des Handels und der Aufbereitung von Waid für die Dörfer durch Herzog Friedrich III. aufgehoben worden.
In Weimar, Greußen und Arnstadt war Waidhandel und -aufbereitung schon früher (1619, 1621 bzw. 1627) eingestellt worden.


Als es 1880 A. Von Baeyer gelang, den Indigo aus Steinkohlenteer synthetisch herzustellen, und 1897 die großtechnische Erzeugung aufgenommen wurde, war das endgültige Aus für den Waidanbau in Thüringen und in anderen Gebieten Deutschlands gekommen.

Das gleiche Schicksal wie der Waidpflanze war dem Indigostrauch in den Ländern seines Plantagenanbaus beschieden. 1912 wurde in Pferdingsleben (Landkreis Gotha) letztmalig in Thüringen Waid angebaut.

In zahlreichen Dörfern des Thüringer Beckens und seiner Randgebiete künden noch heute Flurnamen vom einstigen Waidanbau. Als steinerne Zeugen findet man Reste von Waidmühlen (Mühlsteine aus Sand- bzw. Kalkstein, Langsteine, Tennenteile), die nach Einstellung des Waidanbaus im Zeitverlauf meist zweckentfremdet genutzt wurden.5)

Außer der am ursprünglichen Standort einzigen im Originalzustand erhaltenen Waidmühle in Pferdingsleben (Landkreis Gotha) stehen rekonstruierte Waidmühlen als Kulturdenkmal auf der ega in Erfurt (Cyriaksburg), in Tüttleben (Landkreis Gotha), Bergsulza(Landkreis Apolda) sowie in Rohrborn (Landkreis Sömmerda).

Erhalten als Gebäude sind Waidhäuser in Arnstadt und Gotha sowie die Waidfabrik in Molschleben (Landkreis Gotha).

Zu Beginn der 80er Jahre entdeckte der Neudietendorfer Malermeister Wolfgang Feige die traditionsreiche Pflanze neu. Angeregt durch den Waidbauern im Stadtwappen seiner Heimatstadt begann er die Geschichte des Waids zu erforschen und nach Alternativen für eine Nutzung in unserer Zeit zu suchen.

Im Ergebnis dieser Untersuchungen konnten mehr als 20 Produkte entwickelt werden, wobei die traditionelle Indigo-Blaufärbung von Textilien jedoch eine untergeordnete Rolle spielte.

Die Thüringer Waidverarbeitungs-GmbH nutzte vor allem die pilz- und insektenhemmenden Inhaltsstoffe des Waidsaftes für die Herstellung von Anstrich-, Lasur- und Fassadenfarben, die im baulichen Bereich Verwendung finden.

Das Hans-Knöll-Institut für Naturstoff-Forschung Jena e.V. hat in Zusammenarbeit mit der Waidforschungs-GmbH Neudietendorf das Verfahren zur Waidverarbeitung wissenschaftlich untersucht und optimiert.

Landwirte in der Umgebung von Neudietendorf bauten die Pflanze an. Ein modernes, von der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft entwickeltes Anbauverfahren sowie die Bereitstellung von züchterisch verbesserten Waidherkünften garantierten eine effiziente und umweltgerechte Produktion.


Die Einsatzgebiete waren vielfältig, wie die Produktpalette aufzeigt:

  • Waid-Anstrichfarbe
  • Waid-Lasurfarbe
  • Waid-Fassadenfarbe
  • Waid-Holzimpr&aum l;gnierung
  • Waid-Steinkonservierung
  • Feuerhemmendes Sprühmittel
  • Extrakte aus Blättern sowie das Öl der Samen wurden zu kosmetischen Produkten wie Shampoo, Waschlotion oder Pflegecreme verarbeitet.


Auch international wurde diese Wiederentdeckung gewürdigt: 1992 war Erfurt im Rahmen seiner 1250-Jahrfeier Ort einer ersten internationalen Waidtagung.
Leider ist die Thüringer Waidverarbeitungs-GmbH inzwischen insolvent.
Im Jahr 2001 erwarb die Bita GmbH alle kommerziellen Verwertungsrechte der Thüringer Waidverarbeitungs GmbH.
Diese sind danach als Europäische Patente angemeldet worden. In einem 2jährigen Forschungsprogramm wurde das Herstellungsverfahren optimiert. Die alten Verfahrensprobleme rund um den stark unangenehmen Geruch wurden gelöst. Es gelang ein Verfahren für eine reproduzierbare und fast angenehm riechende Rohstoffgrundlage zu entwickeln. Als Ausgangsprodukt für die unterschiedlichsten Bautenschutzprodukte wie Waid-Hygrabil ein organisch-mineralisches Hydrobierungsmittel oder Wastim Steinschutz, ein Steinverfestigungsmittel, die über Gutachten durch Materialprüfungsämter bzw. Wirksamkeitsnachweise verfügen, steht der Waidextrakt mit seinen Wirkstoffen. Ein österreichisches Unternehmen sicherte sich durch den Erwerb einer Lizenz aus dem EU-Patent die Produkt- und Vertriebsrechte für eine Holzgrundierung auf Waidbasis. Als Zusatzstoff mit seinen brandverzögernden Wirkstoffen findet der Waidextrakt seinen Einsatz in einer Tunnelbrandschutzplatte, welche in den Niederlanden gefertigt wird. 2004 wurde auf der Erfindermesse in Genf dieses nach einer neuen Rezeptur hergestellte und eingesetzte brandverzögernde Mittel mit der Erfindermedaille in Gold ausgezeichnet.
In den unterschiedlichsten Faserverbundstoffen wird der Waidextrakt wegen seiner insektiziden und fungiziden Wirkstoffe genutzt. Auch hier ist die brandverzögernde Wirkung in Verbindung mit den erarbeiteten Rezepturen von großer Bedeutung. Ein regional tätiger Hersteller produziert für den regionalen Markt eine komplette Pflegeserie mit dem Extrakt der Waidblätter. Seit Ende 2005 beschäftigt sich eine namhafte Kosmetikfirma mit dem Einsatz des hochwertigen Waidöls in der Kosmetik. Der im 2. Jahr goldgelb blühende Waid und die danach ausgebildeten Samen liefern hier das hochwertige Öl.
In der Umgebung von Neudietendorf wird seit 2002 der Waid wieder flächenmäßig angebaut. In Zusammenarbeit mit dem Landgut Kornhochheim und dem TLL Dornburg wurde ein schonendes Ernteverfahren der Blätter sowie des Samens erarbeitet, denn wenn die geerntete Blattmasse nicht sofort verarbeitet wird, gehen durch irreversible Prozesse die wertgebenden Inhaltsstoffe des Waids verloren.

Die Produktpalette sowie die Bezugsquellen können bei der Bita GmbH ( Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spam-Bots geschützt, Sie müssen Javascript aktivieren, damit Sie es sehen können ) in Ahlen angefordert werden.

Als Alternativkultur könnte Thüringens Traditionspflanze Waid für die Gewinnung natürlicher Rohstoffe auch in der Landwirtschaft zur Wende des 21. Jahrhunderts einen Platz haben.

Nach dem Aus des Waidanbaus durch die Einführung des Indigos aus Asien und der Entwicklung der Indigosynthese Ende des 19. Jahrhunderts setzt der Waid seinen Siegeszug durch den Einsatz interessierter Bürger, verbesserter Herstellungsverfahren sowie vielfältiger Einsatzmöglichkeiten fort.

Die alte Handwerkskunst des Blaudrucks wird gegenwärtig durch die Blaudruckmeisterin und Kunsthandwerkerin Frau Weiss fortgeführt. Sie ist eine der letzten in Mitteleuropa, die noch mit Modeln nach eigenen Entwürfen Produkte wie Tischdecken und Tücher traditionell handdruckt und mit Indigo färbt. Die von Ihr hergestellten Produkte können in der Blaudruckwerkstatt auch käuflich erworben werden.

Die Blaudruckwerkstatt von Frau Weiss befindet sich im Mühlburgweg 32 in 99094 Erfurt-Hochheim und ist mit der Buslinie 59 zu erreichen ( Haltestelle Wartburgstraße).

Nach Voranmeldung kann die Blaudruckwerkstatt auch am Wochenende besucht werden,Sie ist telefonisch sowie per Fax unter dem Anschluss 0361/ 2252430 zu erreichen.

Kosmetische Produkte aus Thüringer Waid werden momentan über die Firme Nuth GmbH & Co. KG in Mihla /OT  Buchenau vertrieben. Dort sind Nachtpflegeprodukte, Waid-Pflegecremes, Pflegeshampoo, Pflegeschaumbad und weitere Waid-Kosmetikprodukte erhältlich (www.nuth-chemie.de)


Quellen

www.erfurt.de

www.bita-gmbh.com

www.thueringen-tourismus.de

mehr:
In: Stadt und Geschichte - Zeitschrift für Erfurt (Heftnummer):
Benneckenstein, Dr. Horst:
Die Waidartikel des Erfurter Zuchtbriefes von 1351 (11)
Waid (Isatis tinctoria) als Arzneimittelpflanze (18)
Waidmühlen im Erfurter Gebiet (SH 7)
Billig, Dr. Ing. Wolfgang:
Zu Waidjunkerfamilien auf dem Anger (34)
Immig, Eberhard:
Waidhandelsbeziehungen zwischen Erfurt und Görlitz (28)
Menzel, Eberhard:
Waid und der Erfurter Anger (34)

 


1) Maße der Waidmühle in Pferdingsleben (Kreis Gotha) als Beispiel.
2) Zschiesche E.; Der Erfurter Waidbau und Waidhandel, ein culturgeschichtliches Bild aus der Vergangenheit, Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt; Heft 18, 1896.
3) Wiegand,F.; Einige Bemerkungen zur Erfurter Waidproduktion in: Europäische Stadtgeschichte im Mittelalter und früher Neuzeit, Weimar 1979; S. 237-258.
4) Benneckenstein,C.; Benneckenstein,H.; Die Waidpflanze und ihre historische Bedeutung, Beiträge von der Waidtagung am 19.09.1987 in Pferdingsleben, Gotha 1988, S. 31-39.
5) Müllerott, H-I.; Quellen des Waidanbaus in Thüringen (Fachschulabschlussarbeit (MS), Leipzig 1989.

Letzte Aktualisierung ( 16. 09. 2008 )
 
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