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19. 03. 2024
Denkmale in Erfurt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Matthias Stier   
27. 02. 2007
Beitragsinhalt
Überblick
Vor 1400
1401 - 1500
1501 - 1600
1601 - 1806
1806 - 1814
1814 - 1870
1870 - 1900
1901 - 1919
1919 - 1933
1933 - 1945
1945 - 1949
1949 - 1990
1990 - heute
Legende-Literatur

1990 - heute

 
Deportation Erfurter Juden-Gedenktafel

Standort: Bahnhofstraße, Hbf-Unterführung, mittlerer Treppenaufgang Gleis 3-8, Zwischenebene
Einweihung: 1992
Inschrift: "Zum / Gedenken / an die Kinder / Frauen und Männer / aus Erfurt / die wegen ihres / jüdischen Glaubens / von hier aus / ihren letzten Gang / in die Vernichtungslager / der Nationalsozialisten / antreten mußten / Der Rat der Stadt Erfurt / Januar 1992"

Deportation Erfurter Juden-Gedenktafel
Tafel auf Zwischenebene Aufgang Gleis 3-8
Tafel auf Zwischenebene Aufgang Gleis 3-8

Im Mai 1942 begannen in Thüringen die Deportationen der jüdischen Bürger. Sie mussten sich am 9. Mai an Sammelplätzen in ihrer jeweiligen Stadt einfinden, in Erfurt am Hauptbahnhof. Von dort wurden sie nach Weimar gebracht, in der Viehauktionshalle1) festgehalten und am 10. Mai zusammen mit Juden aus Sachsen in ein Ghetto im polnischen Belzyce verschleppt. Fast alle der 513 Männer, Frauen und Kinder aus Thüringen wurden in Belzyce, im KZ Majdanek oder in anderen Vernichtungslagern ermordet. Die Deportationen am 9./10. Mai 1942 markieren den Beginn der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung – der Shoa – Thüringens. In Erfurt mussten sich 101 Männer, Frauen und Kinder zur Deportation versammeln. Keiner von ihnen überlebte den Holocaust.

Für den 9. Mai 2012 riefen Bürgerinnen und Bürger Erfurts zur Beteiligung an einer Gedenkveranstaltung im Erfurter Hauptbahnhof auf, die eingebunden war in ein landesweit gemeinsames Gedenken an die Deportation und Vernichtung der Juden vor 70 Jahren. Die ungewöhnliche und wichtige Aktion fand mitten im frühmorgentlichen Berufsverkehr zwischen 6 und 8 Uhr statt. Die Deutsche Bahn unterstützte das Anliegen, indem sie die Reisenden mit Bahnhofsdurchsagen und Handzetteln über das historische Datum informierte.
Erfurter Bürger erinnerten an den Beginn der Vernichtung der Juden in der Stadt mit einem Feld aus Blumen und 101 Gedenkblättern, die jeden der Erfurter Juden, die von diesem Bahnhof aus deportiert und später ermordet wurden, mit seinem Namen und Geburtsdatum nannten. Der jüngste war vier – Günter Beer - , der älteste 66 Jahre alt.
Um 7.40 Uhr, als der Zug mit den Deportierten damals nach Weimar abfuhr, gedachten  OB Andreas Bausewein – der das Gebinde der Stadt niederlegte - , Stadträte, Landtagsabgeordnete und viele Erfurter der Opfer der Shoa. Dazu sang Deutschlands erste Kantorin Avitall Gerstetter ein berührendes jüdisches Klagelied. (DT)

1)  Die historische Viehauktionshalle in Weimar in der Nähe des Hauptbahnhofs ist am 22. April 2015 durch ein Großfeuer vollständig zerstört worden. Kurz nach 1 Uhr ging der Ruf bei der Feuerwehr ein, die 3 Minuten später am Brandort eintraf. Da stand die Halle bereits lichterloh in Flammen und war nicht mehr zu retten. Die Einsatzkräfte konnten nur noch das kontrollierte Abbrennen überwachen und ein Übergreifen des Feuers durch Funkenflug auf umliegende Gebäude verhindern.
Die Zerstörung der unter Denkmalschutz stehenden 2.500 m2 großen Halle von 70 m Länge, 35 m Breite und 25 m Höhe bedeutet einen unwiederbringlichen Verlust für die Stadt Weimar und ihre Stadtgeschichte aus der ersten Hälfte des 20. Jh. Den hohen historischen Wert hatte das Bauwerk als Architekturdenkmal und vor allem als Gedenkort der Deportation der Juden während der Nazibarbarei, als sich hier ein Sammelort auf ihrem Weg in die Vernichtungslager befand. Seit 1995 diente die Halle als Spielstätte des Weimarer Kunstfestes im Herbst, für das auch 2015 bereits geplant war. Es gab auch weitere Initiativen für eine wirkliche Belebung und Nutzung des historischen Ortes.
1938 wurde der Auftrag zum Bau der Viehauktionshalle für die Landesbauernschaft erteilt. Stahl war wegen der Kriegsvorbereitung bereits seit 1937 kontingentiert und für das Projekt nicht mehr verfügbar. So griff der Architekt Flemming auf eine Holzbinderkonstruktion für das Dach und Holzfachwerk für die Wände zurück, die ganz der geltenden Architekturauffassung für ländliches Bauen jener Zeit entsprachen.

 

Neubauer-Gedenktafel II

Standort: Melanchthonstraße 3, vis-à-vis Brühler Garten
Einweihung: 1990er?

Neubauer-Gedenktafel
Theo-Neubauer-Straße
Gedenktafel re. neben dem Hauptportal Königin-Luise-
Gymnasium (KLG)© Fotos: DT 9.11.2014

Weitere Ehrungen für Theodor Neubauer:
Straßennamen: Theo-Neubauer-Straße (1950)
Neubauer-Denkmal
Neubauer-Gedenktafel I

Quellen:
Spanuth, Gottfried (Hg./Bearb.): Jubiläumsschrift der Königin-Luise-Schule zu Erfurt 1811/27 - 1927 | Festberichte, Anwesenheitslisten, Lehrerverzeichnis. Erfurt, 1927
Förderverein des Königin-Luise-Gymnasiums unter Leitung von Jürgen Kornmann und Peter Hepp (Hg.): Festschrift des Königin-Luise-Gymnasiums anlässlich des 100. Geburtstages des Schulgebäudes. Erfurt, 2002

 

Noack-Straßennamenschild / Zusatzschild

Standorte: Fritz-Noack-Straße, jeweils an den Einmündungen in Stauffenbergallee bzw. Liebknechtstraße
Einweihung: 1990er?

Noack-Straßennamenschild / Zusatzschild

Fritz-Noack-Straße
Fritz-Noack-Straße

Kurz vor Beginn des II. Weltkrieges, im Juli 1939, wurde Fritz Noack, (1905 - 1.8.1939) einer der bekanntesten Erfurter Funktionäre der KPD, verhaftet und am 1. August von der Gestapo auf dem Petersberg ermordet. (DT, 6)

Weitere Ehrungen für Fritz Noack:
Opfer des Faschismus-Ehrenmal I (1946), Urnengedenkstein,
Antifaschisten-Gedenktafel, Petersberg,
Opfer des Faschismus-Ehrenmal II (1984), erste Namenstafel (von links)

Ries-Büste

Standort: Michaelisstraße 48
Schöpfer: Michael Lenz
Einweihung: 1992/2002

Ries-BüsteGern präsentiert man noch heute das Ergebnis einer Rechenaufgabe mit dem Spruch "Das macht nach Adam Riese. .." Der wohl bekannteste Rechenmeister Adam Ries (1492 oder 1493-1559) verbrachte einige Jahre in Erfurt; dort erschienen 1518/22 seine ersten beiden Rechenbücher. Er wohnte von 1518 bis 1523, seiner nach einem Ries-Experten "wissenschaftlich fruchtbarsten Zeit", im "lateinischen Viertel" der Universitätsstadt, vermutlich in der Drachengasse. Aber auch als Angestellter der Herzoglich-Sächsischen Bergwerke in Annaberg blieb Ries später dem Wissenschafts- und Druckereizentrum Erfurt verbunden, wo weitere Auflagen seiner Rechenbücher erschienen.
An diese enge Verbindung mit dem sprichwörtlichen Rechenkünstler erinnerte man in Erfurt während des großen Adam-Ries-Jubiläums 1992 mit diversen Veranstaltungen und Ausstellungen.
Aber auch in Denkmalform sollte endlich an seine wichtigen Erfurter Jahre erinnert werden. Der Künstler Michael Lenz schuf ein dreiteiliges Bronzeensemble aus zwei Schrifttafeln und einer Porträtbüste. 2002 fand es in der Michaelisstraße 48 seinen endgültigen Platz. Im "Haus zum Schwarzen Horn" befand sich einst die Druckerei von Mathes Maler, der die ersten beiden Rechenbücher von Ries gedruckt hatte. An der Fassade befestigte man die Büste sowie die Schrifttafel mit Lebensdaten, Wappen und historischen Erläuterungen. In den Boden wurde die andere Tafel eingelassen, die als Rechenbrett an das Ries-"Rechnen auf der Linie" erinnert. Dargestellt wird die Jubiläumszahl 1992. (SR)

Straßennamen: Adam-Ries-Straße

 

Coubertin-Büste

Bronze-Stele mit Büste und verschränkten Armen
Standort: Mozartalle 4, Pierre-de-Coubertin-Gymnasium Erfurt, Hof
Einweihung:

Coubertin-Büste
Coubertin-Stele mit Büste und verschränkten Armen
Coubertin-Stele mit Büste und verschränkten Armen
auf dem Hof des Pierre-de-Coubertin-Gymnasiums

Am 12. Oktober fand die feierliche Namensgebung „Pierre-de-Coubertin-Gymnasium“ zu Ehren des französischen Sportpädagogen, Humanisten und Begründers der modernen Olympischen Spiele Pierre de Coubertin (1863-1937) statt. Als besondere Ehrengäste konnten dazu der Großneffe Pierre de Coubertins, Geoffroy de Navacelle de Coubertin, und seine Gattin begrüßt werden.

 

Eulenspiegel-Denkmal

Standort: An der Stadtmünze
Schöpfer: Anke Besser-Güth
Einweihung: 1994

EulenspiegelIm November 2001 wurde hinter dem Rathaus ein Till-Eulenspiegel-Denkmal enthüllt. Mit dem auf hohem Sockel kauernden Narren vervollständigte Erfurt mehrere bauliche und künstlerische Details eines historischen Quartiers. Gemeint ist das Haus "Zur Narrenschelle", das sich seit 2000 im Besitz der Erfurter Karnevalsgemeinschaft befindet. Namensschild und Hauszeichen in Gestalt eines geschmiedeten Auslegers mit vergoldeter Schelle sowie ein flächenfüllendes Wandbild von Erich Enge am rückwärtigen Giebel nehmen bildreich Bezug auf Karneval, Mummenschanz und Eulenspiegeleien.
Offenbar orientierte sich die Bildhauerin Anke Besser-Güth (* 1940) an einer Sage, nach der jener um 1350 geborene niederdeutsche Schelm auf der Flucht aus Prag in Erfurt Station gemacht haben soll:  "Hier angekommen, ließ er großspurig wissen, er könne "jeglicher Kreatur das Lesen beibringen." Um dies zu beweisen, verabredete er sich mit Professoren der Universität. Till führte einen jungen Esel in den Stall, legte ihm ein altes Liederbuch mit Hafer zwischen den Seiten in die Krippe, worauf der Nimmersatt beim Ausgang des Futters mehrfach die zwei Laute IA von sich gab. Solche art Erfolg führte Till den gelehrten Herren vor, kassierte die versprochenen 60 Geldstücke, ließ den Esel frei und trollte sich davon. Umsonst hatten die Magister und der Rektor gehofft, weniger Spott zu ernten als die genarrten Leute in Prag. "(RM)

 

Hedemann-Gedenktafel

Standort: Steigerwald, N-Abhang,
Schöpfer: Steinmetzmeister Walter Ballmann, Plauen
Einweihung: vor 1945 / 5.6.1994 (Neuanfertigung)

Hedemann-Gedenktafel
Hedemann-Gedenktafel mit Anlage
Hedemann-Gedenktafel mit Anlage

Am Hedemannsweg gab es schon einmal eine solche Tafel, die jedoch nach 1945 verschwunden war. Die Urahnin von Hedemann, Ingeborg Thorwirth aus Gamstädt, hatte sich darum bemüht, ein Erinnern an ihren Urgroßvater wiederzubeleben. Im Rahmen der Aktion „Heinzelmännchen“ des MDR 1 Radio Thüringen hatte viele dazu beigetragen, Ingeborg Thorwirth diesen Wunsch zu erfüllen. Die neue Tafel wurde im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums angefertigt. Sie ist an einer halbrunden, etwa 1,50 m hohen Mauer aus Steinquadern angebracht. Je zwei Sitzbänke an der Mauer und gegenüber auf der anderen Seite des trennenden Weges laden zur Rast ein.
Mit der Einweihung wurde die Urenkelin dann überrascht: „Ich habe nichts von all dem gewusst und freue mich, dass wieder an diesen Mann erinnert wird“, sagte Frau Thorwirth freudig bewegt. Die Enthüllung wurde musikalisch begleitet von den Jagdhornbläsern St. Hubertus.
Zustand (April 2015): Alle vier Bänke erneuert. Tafel seit längerem besprüht.

August von Hedemann (1785 – 1859) hatte 1840-48 als Generalleutnant das Kommando über die 8. Division auf dem Petersberg. Er war verheiratet mit einer Tochter Wilhelm von Humboldts. Am 30.5.1839 gründete Hedemann mit mehreren einflußreichen Erfurter Bürgern den „Verschönerungsverein“. Mit seinen 1.900 Mitgliedern setzten sie sich ein für die Anlage von öffentlicher Gärten und Parks und i.a. für eine Verschönerung des Stadtbildes. Er ließ einst Platanen in der Stadt anpflanzen und die ersten Wege durch den Steiger anlegen.
Der Hedemannsweg verläuft zunächst geradeaus nach W, quert die Sternstraße am Forsthaus und wendet sich danach nach NW abwärts zu An der Silberhütte.

J.W. Papst widmete 1843 dem Kgl. Gen. Ltn. und Ersten Commandeur v. Hedemann unter dem Titel „Der Hedemanns-Weg im Steiger“ ein Lobgedicht in 13 Versen im Stil der Zeit. (DT)

 

Stasi-Haft-Gedenktafel

Standort: Andreasstraße 37
Einweihung: 1994

Stasi-Haft-GedenktafelJedes Jahr am 17. Juni, dem Gedenktag an den Volksaufstand von 1953, treffen sich Menschen vor der Erinnerungstafel an der Backsteinmauer in der Andreasstraße. Sie gedenken des Unrechts und der politischen Gewalt in der DDR, die eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS), der berüchtigten "Stasi", verbunden war.
Von 1952 bis 1989 befand sich in dem hinter der Mauer gelegenen Gefängnis, einem Gründerzeitbau von 1879, die Erfurter MfS-Haftanstalt. Sie sorgte zusammen mit der 1952 im angrenzenden Gebäude eingerichteten Bezirksverwaltung des MfS für den zweifelhaften Ruf der Andreasstraße in der DDR-Zeit.
Während der Wende vom Herbst 1989 machte diese Straße jedoch positive Schlagzeilen. Seit dem 26. Oktober führten im Anschluss an die Friedensgebete in der Andreaskirche die Donnerstagsdemos zum Domplatz. Ein Signalereignis von nationaler Tragweite bildete die Besetzung der MfS-Bezirksverwaltung am 4. Dezember, an die heute ebenfalls eine Gedenktafel erinnert. Die "Stasi" hatte begonnen, Akten zu vernichten, was durch die Initiative "Frauen für Veränderung" und zahlreiche engagierte Bürger unterbunden wurde. Damit erfüllten die Erfurter gerade auch in der Andreasstraße, wo man über Jahrzehnte Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung eingesperrt und seelisch misshandelt hatte, deren Wunsch: "Sie wollten Freiheit und Menschenwürde." So steht es auf der Gedenktafel, die von der Vereinigung der Opfer des Stalinismus sowie dem Rat und Bürgern der Stadt 1994 angebracht wurde. (SR)

 

Synagoge-Gedenktafel

Standort: Max-Cars-Platz 1
Einweihung: vermutl. 1990er

Synagoge-GedenktafelIn der Nacht vom 9. zum 10.November 1938 erfolgte auf Befehl der Nazis in der von ihnen propagierte sogenannten „Reichskristallnacht“ neben der beginnenden systematischen Vernichtung jüdischen Lebens, die Zerstörung von Synagogen im gesamten Reich. Dem fiel auch das 1884 am Kartäuserring geweihte große jüdische Gebetshaus zum Opfer. SA-Horden umstellten die Synagoge, erbrachen die Tür und legten im Innern Feuer. Nach kurzer Zeit stand das Gebäude in Flammen. Schutzpolizei und Feuerwehr, die vor Ort eintrafen, hatten keinen Einsatzbefehl, den Brand zu löschen oder irgendwelche anderen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, abgesehen davon, ein mögliches Übergreifen der Flammen auf Nachbarhäuser zu überwachen. So sahen Beamte und Kameraden dem flammenden Inferno tatenlos zu. Walte Kießling, Erfurter Oberbürgermeister 1936-45, NSDAP- und SA-Mitglied, äußerte sich zum Brand zynisch: „Ich habe noch nie eine so schön brennende Synagoge gesehen.“
Dennoch konnten die Thorarollen aus der brennenden Synagoge gerettet werden. Der Dompropst und spätere Weihbischof Joseph Freusberg verbarg sie von 1938 bis 1945 im Dom.
Im Juni 1933 lebten in Erfurt 831 Juden. Von ihnen gelang es nur 180 rechtzeitig zu emigrieren, während über 100 mit polnischer Staatsbürgerschaft am 28. Oktober 1938 – wenige Tage vor der Pogromnacht – mit ihrem Handgepäck und 10 Reichsmark per Zug nach Polen ausgewiesen wurden. Am 10./11. November 1938 mussten etwa 200 jüdische Bürger den Leidensweg nach Buchenwald und in andere Vernichtungslager antreten. Am 1. September 1941 registrierte man 223 Juden in der Stadt und nach dem ersten Deportationstransport am 9./10. Mai 1942 über Weimar in das Ghetto im polnischen Belzyce (s. Deportations-Gedenktafel) waren es nur noch 76!
15 jüdische Bürger kehrten 1945 nach Krieg und Holocaust aus den Vernichtungslagern in ihre Heimatstadt zurück. Unter ihnen befand sich Max Cars (1894–1961), der sich in den schweren Nachkriegsjahren sehr für die jüdischen Belange und eine Wiederbelebung jüdischen Lebens einsetzte, und zum 1.Vorsitzenden der 1946 wiedergegründeten Synagogengemeinde gewählt wurde. Er initiierte den Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof, vor allem aber die Errichtung einer neuen Synagoge an etwa der gleichen Stelle wie die 1938 durch die Nazis vernichtete.

Synagoge-Portal1951 konnte die Grundsteinlegung erfolgen und am 31. August 1952 (10. Ellul 5712) übergab Otto Nuschke (1883-1957), Stellvertretender DDR-Ministerpräsident unter reger Anteilnahme der Bevölkerung die neuerbaute Synagoge an die jüdische Gemeinde. Die Erfurter  Synagoge sollte der einzige jüdische Sakralneubau in der DDR bleiben.
Straßennamen: Max-Cars-Platz
Der Platz an der neuen Synagoge (Kartäuserstraße/Juri-Gagarin-Ring) wurde gemäß einem Grundsatzbeschluss des Stadtrates vom 13.02.2014 am 05. November 2014 feierlich zu Ehren des ersten Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde nach dem Holocaust in „Max-Cars-Platz“ umbenannt; die Synagoge trägt die Hausnummer 1 (bisher Juri-Gagarin-Ring 16). Die Enthüllung nahm der jetzige Vorsitzende Prof. Dr. Reinhard Schramm vor. (DT, 6, 8)

 

Unbekannter Wehrmachtsdeserteur-Denkmal

Stahl, 8-teilig, H = 2,0 m
Standort: Unterhalb Zitadelle Petersberg, an o Festungsmauer,etwa an dem Platz, an dem es zu Exekutionen während des II. Weltkrieges kam.
Schöpfer: Thomas Nicolai
Einweihung: 1. September 1995

DeserteureDie seit 1665 errichtete Zitadelle Petersberg war über Jahrhunderte ein Ort des Militärs. Während des Dritten Reiches befand sich hier neben anderen Objekten auch ein Kriegsgericht. Im Festungsbereich kam es zur Erschießung von einigen der rund 50 "Fahnenflüchtigen", die dort von Militärrichtern während des Zweiten Weltkrieges zum Tode verurteilt worden waren.
Seit dem 1. September 1995 weist das "Denkmal für den unbekannten Wehrmachtsdeserteur" darauf hin. Es befindet sich im Festungsgraben zwischen den Bastionen Leonhard und Philipp. Der junge Künstler Thomas Nicolai hat hier ein eher unkonventionelles Denkmal geschaffen. Zu sehen sind zwei parallele Reihen von insgesamt acht Metallstelen; nur eine der wie Soldaten in disziplinierter Haltung "stramm" stehenden Stelen ist individuell geformt und soll den Deserteur symbolisieren. Eine Bronzetafel im Boden erklärt:
"Dem unbekannten Wehrmachtsdeserteur - den Opfern der NS-Militärjustiz - allen, die sich dem Naziregime verweigerten." Die teils heftigen Reaktionen auf das Denkmal verweisen auf die ungebrochene Brisanz des Themas. Was die Beurteilung von Deserteuren im Zweiten Weltkrieg betrifft, besteht bis heute kein Konsens, auch wenn die Wehrmachtsdeserteure 1999 offiziell vom Bundestag rehabilitiert wurden. Man schätzt, dass hunderttausende Fälle von "Fahnenflucht" und rund 15.000 Todesurteile während des Krieges vollstreckt wurden. Als eines der ganz wenigen seiner Art in Deutschland ist das Erfurter Deserteursdenkmal zu einem Denkmal im wahrsten Sinne des Wortes geworden, an dem sich die öffentliche Diskussion bis heute entzündet. (SR)
Im Bogen hinter dem Denkmal pflanzte der OB der Stadt Erfurt, Bausewein, am 28.9.2007 im Beisein der Stadtratsfraktionen und des Aktionskreises für Frieden e.V. die Friedenslinde am Petersberg.

 

Meister-Eckhart-Portal

Standort: Predigerkirche, n Langhauswand, Spitzbogenportal
Schöpfer: Siegfried Krepp / Berlin, 1992, eingebaut nach Rekonstruktionsarbeiten 1999
Einweihung: 1999

Meister-EckhartAm 13. Juli 1999 wurde anlässlich des Erfurter Meister-Eckhart-Festjahres das Nordportal der Predigerkirche neu gestaltet. Die Bronzeflügel versah der Bildhauer Siegfried Krepp (geb. 1930) mit dem Bibeltext (Johannes 1,1) "das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst". Als Metapher dafür wurde in die ständig verschlossene Tür ein Glasstreifen eingesetzt. Dem inneren und äußeren Licht hatte Krepp damit "freien Austausch" gewährt und in den Boden ein Metallband als verlängerte Lichtspur eingelassen. So schuf er "zum wunderbaren Gleichnis Licht gegen Finsternis Argumente gegen das Dogma", bemerkte der Kunstwissenschaftler Herbert Schönemann. Mit einem flächendeckenden Labyrinth markierte der Berliner Künstler wohl die rastlosen Lebenswege Meister Eckharts (um 1260-1328).
Dieser trat, um 1260 in Thüringen geboren, als Novize ins Erfurter Dominikanerkloster ein, lebte hier als Mönch, Priester sowie Prior und wurde 1303 zum Provinzial der Ordensprovinz Saxonia eingesetzt. Sein unruhiges Streben führte ihn in mehrere Länder, doch in Erfurt hielt es ihn mit Unterbrechungen von 1278 bis 1311.
Nachhaltig wirkte er als Theologe auf die religiöse Lehre ein, als Mystiker prägte er die europäische Geistesgeschichte. Der in der Volkssprache seiner Mitbürger predigende Dominikaner ("Prediger") bereicherte darüber hinaus die deutsche Sprache durch zahlreiche Neuschöpfungen. Dass der Gelehrte 1326 in Köln als "Ketzer und Volksverführer" denunziert, der Inquisition ausgesetzt und mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bedroht wurde, legte ihm eine schwere Bürde auf Zwei Jahre später starb er. (RM)

Straßennamen: Meister-Eckehart-Straße

mehr:
In: Stadt und Geschichte - Zeitschrift für Erfurt (Heftnummer):
Schönemann, Herbert: Denkmale in Erfurt - Denk mal darüber nach! Das neue Meister-Eckehart-Portal (6)

 

Bach-Skulpturen

Standort: Am Lauentor, Grünanlage Martinsbastion
Einweihung: 2000

Bach-SkulpturenIm Bachjahr 2000, das mit zahlreichen Veranstaltungen zum 250. Geburtstag des großen Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) begangen wurde, fand in Erfurt auch ein internationales Bildhauersymposium statt. Es widmete sich unter fachübergreifendem Ansatz dem Thema "Struktur und Form in der Musik von Johann Sebastian Bach". Die Ergebnisse dieses Symposiums sind heute in der Grünanlage vor der Martinsbastion der Zitadelle Petersberg zu bewundern.
Auch wenn die Kunstwerke dem Betrachter auf den ersten Blick nicht ihre Bestimmung preisgeben, schließen sie doch eine Lücke in der hiesigen Erinnerungslandschaft. Denn es ist durchaus berechtigt, in Erfurt an Seb. Bach zu erinnern. Er stammte aus einer in der Region weit verzweigten Musikantenfamilie, sein Großvater Christoph wirkte von 1642 bis 1654 in Erfurt als Stadtmusikant, Bachs Vater Johann Ambrosius lebte bis 1671 in Erfurt und heiratete 1668 in der Kaufmannskirche die Kürschnermeistertochter Elisabeth Lämmerhirt, Bachs Mutter.
Die familiären Bande zu den Erfurter "Bachen" und Dienstgeschäfte führten Sebastian später zu Kurzbesuchen in die Stadt, unter anderem zur Abnahme der neuen Orgel in der Augustinerkirche 1716. Im Übrigen ist Herzog Johann Georg I. von Sachsen-Eisenach schuld daran, dass Seb. Bach kein gebürtiger Erfurter geworden ist. Hatte er doch den Wunsch von Ambrosius Bach im Herbst 1684 abgelehnt, aus dem Hofdienst entlassen zu werden und wieder nach Erfurt als Stadtmusikant zurückkehren zu dürfen. (SR)

 

Benary-Denkmal

Standort: Benaryplatz
Schöpfer: Lutz Hellmuth
Einweihung: 2000

BenaryAm 26. Juni 2000 ereignete sich die feierliche Einweihung eines Denkmals für den Kunstgärtner Ernst Benary (1819-1893). Rudolf Benary, der Urenkel des Geehrten, hielt die Einweihungsrede. Zwei nah beieinander geordnete steinerne Stelen, gestaltet von dem Erfurter Bildhauer Lutz Hellmuth, fanden ihren Standort auf historischem Boden. Denn 1888 hatte der Firmengründer Ernst Benary mehrere zwischen der Gothaer- und Friedrichstraße liegende, als Bauland vorgesehene städtische Grundstücke gekauft und die 5.700 Quadratmeter großen Flächen testamentarisch der Stadt gestiftet - unter der Bedingung, sie dauerhaft als öffentliche Erholungsstätte auszuweisen.
Nach seinem Tode 1893 ließ die Stadt einen kleinen Gedenkstein errichten und den Platz 1896 nach Benary benennen. Doch es blieb nicht bei diesem Namen. 1936 wurde der Platz nach Herbert Norkus benannt, 1945 hieß er wieder Benaryplatz, 1953 sollte der Platz an Philipp Müller erinnern. 1991 schließlich sorgte die Stadtverwaltung dafür, den ursprünglichen Namen Benary wieder zu verwenden. Das Garten- und Friedhofsamt ergänzte den um 1895 angelegten Bestand an Bäumen, Sträuchern und Stauden durch neue Kulturen.
Der am 10. November 1819 geborene Ernst Benary eröffnete schon 1843, erst 24 Jahre alt, eine Kunst- und Handelsgärtnerei. 1847 erhielt er das Bürgerrecht und spezialisierte sich auf Anzucht und Verkauf von Blumen- sowie Gemüsesamen. Er entwickelte internationale Kontakte. Weltweit konnte die von ihm fast 50 Jahre geführte Firma den eigenen guten Ruf, aber auch Erfurts Anerkennung als maßgebende Lieferantin von Garten-Saatgut verbreiten. Ernst Benarys Söhne Friedrich und John sowie die Enkel vermochten, das Unternehmen bis zur Enteignung von 1952 erfolgreich fortzuführen. (RM)

Straßennamen: Benaryplatz

mehr:
In: Stadt und Geschichte - Zeitschrift für Erfurt (Heftnummer):
Benary, Rudolf:: Gedenkstein auf dem Benary-Platz (SH 2)

 

Gewerkschafts-Gedenktafel

Standort: Johannesstraße 55
Einweihung: 2003

Gewerkschafts-GedenktafelAm 2. Mai 2003 hatten in vielen Orten GewerkschafterInnen der Besetzung der Gewerkschaftshäuser und Zerschlagung der freien Gewerkschaften durch die NSDAP und der Opfer vor 70 Jahren gedacht und die heutige Generation an die Geschehnisse von damals erinnert. In Erfurt tat man dies auf einer zentralen Veranstaltung im „Haus zum Regenbogen“, Johannesstraße 55, mit einem Programm, eröffnet durch Hans-Hermann Hoffmann, Vorsitzender DGB-Region Mittelthüringen, das neben mehreren Wortbeiträgen von Gastrednern, u.a. Steffen Kachel (Historiker) zur Inhaftierung der 44 festgenommenen GewerkschafterInnen auf dem Petersberg, auch einen Antifaschistischen Stadtrundgang enthielt.

Im Februar 1933 hatte der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) noch seine Neutralität gegenüber dem NS-Regime bekundet. Dies schützte jedoch nicht davor, dass sich der danach einsetzende Straßenterror auch gegen Gewerkschaftsfunktionäre richtete. Trotz der Verunsicherung zeigte sich der ADGB bereitwillig und kooperativ in der Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 1. Mai, schließlich war es 1933 erstmals in der Geschichte der Gewerkschaftsbewegung gelungen, den 1. Mai zu einem Feiertag zu erheben, an dem der Lohn fortgezahlt wurde. Die GewerkschafterInnen dachten dabei nicht im geringsten daran, dass das Ende der freien Gewerkschaften bereits beschlossene Sache war und unmittelbar bevorstand. Zunächst entwickelte der 1. Mai, der „Tag der nationalen Arbeit“, in Erfurt bei strahlendem Sonnenschein eine ungetrübte, großartige Feiertagsstimmung. An die 100.000 Menschen sollen die Straßen bevölkert haben, die meisten mit dem Ziel, in der Mitteldeutschen Kampfbahn (heute Steigerwaldstadion) die Radioansprache Hindenburgs an die deutsche Jugend zu hören. Erst einen Tag später, am 2. Mai 1933, sollte der wahre Grund dieser großen Inszenierung offenbar werden, als deutschlandweit nach minutiösem Plan punkt 10 Uhr, die SA die Häuser der freien Gewerkschaften besetzte und Gewerkschaftsfunktionäre brutal misshandelte, einsperrte, folterte oder zu Tode prügelte.

In Erfurt besetzten um 10 Uhr mit Karabinern ausgerüstete SA-Leute das Volkshaus (Gewerkschaftshaus) sowie an sechs anderen Orten sämtliche Büros der freien Gewerkschaften. Das gesamte Vermögen der Gewerkschaften wurde beschlagnahmt. 44 Funktionäre wurden verhaftet und mit erhobenen Händen durch die Stadt zum Polizeigefängnis auf dem Petersberg geführt. Damit war der Weg frei zu einer gleichgeschalteten Einheitsgewerkschaft. Am 10. Mai 1933 gründeten die Faschisten die Deutsche Arbeitsfront (DAF), in die die Beschäftigten zwangsweise eintreten mussten.

Ehemaliges Volkshaus
Portal Haus Zum Regenbogen
Portal Haus ZumRegenbogen

Mit der Zerschlagung der Gewerkschaften wurde durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ den emanzipatorischen Bestrebungen der Arbeiterbewegung ein Ende gesetzt. Der Arbeitgeber als „Führer des Betriebs“ bestimmte von da an einseitig die Arbeitsbedingungen, „Tarife wurden abgeschafft und durch Tarifordnungen ersetzt, über deren Einhaltung sogenannte Treuhänder der Arbeit wachten“, heißt es in einem Geschichtsbuch der IG Metall.

Die Gedenktafel wurde 2003 durch den DGB angebracht, in Erinnerung an die beginnende Zerschlagung der freien Gewerkschaften durch die NSDAP vor 70 Jahren. (DT, 6, DGB)

 

Trimemorial Obelisk

SanierungsmedaillonSandstein, vier Medaillons aus Bronze
Standort: Anger 6, Innenhof, Privatgrundstück nicht öffentlich zugänglich, aber durch Gitter einsehbar (Zar-Alexander-Medaillon)
Errichtet durch die Jutta-Heidemann-Stiftung im Zuge der Gebäudesanierung 2004
Schöpfer der Medaillons: Bildhauer Christian Paschold, Tiefthal
Einweihung: 2004

Stiftungs-Medaillon
Obelisk-S-Seite
Inschrift: „SANIERT DURCH / JUTTA HEIDEMANN / 2004 / cp [Künstler-Signet Christian Paschold]

Trimemorial ObeliskDer Obelisk ist drei Ereignissen von 1789, 1808 und 1845 und den damit verbundenen namhaften Persönlichkeiten gewidmet, mit denen das historische Haus „Zur grünen Aue und Kardinal“ aufwarten kann. Sie sind jeweils auf einem Bronze-Medaillon von dem Künstler Christian Paschold dargestellt. Als herausragend ist dabei zweifellos der Aufenthalt von Zar Alexander und seinem Gefolge während des Erfurter Fürstenkongresses 1808 zu nennen.

Zar-Alexander-Medaillon

Obelisk-N-Seite
Inschrift: „RESIDENZ VON / ZAR ALEXANDER I. / ZUM ERFURTER / FÜRSTENKONGRESS / 1808“

Zar-Alexander-MedaillonDas Jahr 1808 sieht Kaiser Napoleon I. von Frankreich auf einem Höhepunkt seiner Macht. Die von ihm geführte Grande Armee hat bereits weite Teile Europas erobert. Dennoch verliert der kühl denkende Stratege nicht den Blick für die sich mehrenden Widerstände, vor denen seine weiteren Eroberungspläne nun stehen. Der Aufstand der Bauernpartisanen in Spanien und die zunehmende Kampfbereitschaft des Hauptgegners Österreich lassen einen möglichen Zweifrontenkrieg ins Kalkül treten, dem es seitens Napoleon auf diplomatischen Wege entschieden zu begegnen gilt. Dabei kommt es folgerichtig zu dem Entschluss, eine engere Bindung zu seinem wichtigsten Verbündeten Russland herzustellen.

Zu diesem Zweck initiiert Napoleon für den Herbst 1808 ein hochrangiges Treffen, zu dem neben Kaiser Alexander I. und weiteren russischen Hoheiten auch seine deutschen Bundesgenossen – oder sollte man deutlicher sagen, seine Vasallen – insgesamt 34 Herrscher samt ihrem Gefolge, eingeladen sind. Schon im April 1808 hatte Napoleon dem Zaren das Treffen vorgeschlagen, nach dem er sich als dem Ort des Gipfeltreffens bewusst für Erfurt entschieden hatte. Ausschlaggebend war dabei neben der zentralen Lage die besondere staatsrechtliche Stellung, die die Stadt um 1808 einnahm. Nach der siegreichen Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806 wird die Stadt Sitz des kaiserlich-französichen Gouverneurs. Durch ein Dekret Napoleons vom 4. August 1807, von dem die Bürgerschaft erst ein halbes Jahr später, am 6. Februar 1808, Kenntnis erhielt, wurde Erfurt (mit Blankenhain) durch kaiserliche Inbesitznahme, „en son nom personnel“, zu einer kaiserlichen Domäne, „domaine réservé à l'Empereur“, erklärt. Napoleon hatte die militärstrategische Bedeutung Erfurts im Zentrum der besetzten deutschen Territorialstaaten erkannt und die Stadt deshalb unmittelbar seiner Herrschaft unterstellt. Staatsrechtlich bedeutete das eine Sonderstellung, da Erfurt nicht dem französischen Reich einverleibt wurde, weder selbständig, noch einfaches Besatzungsgebiet war.

Vom 27. September bis 14. Oktober findet er statt, der Congreß zu Erfurt, der dann als „Erfurter Fürstenkongress“ in die Geschichtsbücher eingehen wird, und die eher unbedeutende Provinzstadt für kurze Zeit in den Fokus europäischer Politik rückt.
Bereits der Eröffnungstag wird mit der Ankunft der beiden Kaiser für die interessierte Erfurter Öffentlichkeit zu einem grandiosen Erlebnis. Gegen 10 Uhr vormittags verkündet ein Böllerschuss vor dem Brühler Tor die Ankunft Napoleons in Erfurt. Zu seinem Empfang sind Magistrat und Vertreter der Bürgerschaft angetreten, die ihm symbolisch die Stadtschlüssel überreichen. Er fährt durch ein dichtes Spalier von Menschen zum repräsentativ hergerichteten Gouvernementsgebäude, der ehemaligen Mainzischen Statthalterei am Hirschgarten, während des Congresses und seines Aufenthaltes in Erfurt, der „Kaiserliche Palais“. Dort finden im Konferenzsaal die Verhandlungen im großen Rahmen mit den geladenen 34 Herrschern statt und empfängt Napoleon hiesige Geistesgrößen wie Goethe und Wieland zur Audienz.
Gerade erst angekommen, verlässt Napoleon bereits mittags wieder mit großem Gefolge die Stadt, um seinem von Weimar anreisenden Hauptgast Zar Alexander entgegenzureiten und ihn in Empfang zu nehmen. Bei Utzberg treffen die beiden Kaiser auf der Weimarer Chaussee zusammen, dort wo noch heute der Napoleonstein daran erinnert. Dem Gast entgegenzueilen, war eine bemerkenswert große Geste Napoleons, die nicht Macht sondern vielmehr Wertschätzung gegenüber Alexander zum Ausdruck brachte. Das muss auch den Gast beeindruckt haben, bei der herzlichen Begrüßung umarmten sich beide auf das herzlichste. Ein erstes Gespräch zwischen ihnen entwickelte sich spontan und vermittelte positive Signale für eine aufgeschlossene Atmosphäre in den kommenden Verhandlungen. Am Nachmittag hielten beide Kaiser und deren Gefolge unter Glockengeläut und Jubel Einzug in Erfurt. Napoleon geleitete Alexander noch bis zu dessen Residenz auf dem Anger, dem Haus „Zur grünen Aue und Kardinal“ des Tabakfabrikanten Johann Friedrich Wilhelm Triebel, damals No. 1529, heute Anger 6, direkt neben dem Ursulinenkloster. Es gehörte zu den ausgesucht nobelsten Erfurter Bürgerhäusern, die als „maisons de l'empereur“ dienten. Gemeinsam mit dem Zaren logierten hier die Fürsten Wolkonsky, Gallizin und Kacarin, General-Consul Laebensky sowie Großmarschall Tolskoy. Die Wachaufstellung vor der Zarenresidenz, die im übrigen  jener vor dem Kaiserpalais identisch glich, bestand aus jeweils doppelten Wachen und pyramidenförmigen Schilderhäusern, letztere mit je zwei berittenen Kosaken als Posten.

Die zweiwöchigen politischen Verhandlungen waren begleitet von einem umfangreichen Rahmenprogramm, bei dem Napoleon seine Dominanz und den „Heimvorteil“ gekonnt ausspielte. Alles stand unter der Maxime, wie er sie Talleyrand, französischer   Außenminister a.D., deutlich machte: „Ich wünsche, dass der Zar Alexander durch die Demonstration meiner Macht beeindruckt wird.“ Die breit gefächerte Palette, die Napoleon aufgeboten hatte, konnte sich wahrlich sehen lassen. Truppenvorführungen seiner Grande Armée, die ihren Namen zu der Zeit noch mit Stolz zu Recht trug, Jagden, Empfänge, Bälle, Feste, Theatervorführungen, die prachtvollen Interieurs im Palais und Ballhaus, bedeuteten eine geballte psychologische Einflussnahme auf Alexander, der sich dieser in den Verhandlungen als weitgehend unbeeindruckt zu erweisen hatte. Für die Zeit des Kongresses hatte der Theaterliebhaber Napoleon sein berühmtes Kaiserliches Hoftheater, die Comédie Française zum Gastspiel mit nach Erfurt gebracht. Auf der Bühne im Saal des ehemaligen Ballhauses der Universität in der Futterstraße, dem späteren Kaisersaal, wurden insgesamt 15 klassische Tragödien, also fast allabendlich, vor illustrem kaiserlich-königlichem Publikum aufgeführt. Die Stücke wurden von Napoleon persönlich ausgewählt, auch nach ihrer Eignung, aktuelle politische Botschaften zu vermitteln, und falls es erforderlich erschien, auch mit seinen Regieanweisungen bedacht. Nach anschließenden festlichen Banketten trafen sich die Kaiser zu persönlichen politischen Verhandlungen. Eine besondere Rolle spielte Talleyrand hinter den Kulissen, der die Bündnisvorschläge Napoleons intrigierte, an deren Erarbeitung er selbst beteiligt war, und verriet sie in geheimen Gesprächen dem Zaren. Dennoch „wurde am 12. Oktober eine Bündniskonvention zwischen Frankreich und Russland unterzeichnet, nach der Napoleon dem Zaren die Donaufürstentümer Moldau und Walachei sowie Finnland zuerkannte, während der Zar Napoleon Spanien überließ und sich im Falle eines österreichischen Angriffs auf Frankreich zum Beistand verpflichtete.“ Am 14. Oktober 1808 ging der „Erfurter Fürstenkongress“ zu Ende. Die beiden Monarchen wurden feierlich verabschiedet. Konvention und gegenseitige Bündnisbeteuerungen hielten indes nicht lange. Napoleon brach zum Rußlandfeldzug gen Moskau auf. Seine Grande Armée bezog dort 1812 und im Jahr darauf entscheidend in der Völkerschlacht bei Leipzig Niederlagen, die sein Ende als Beherrscher Europas besiegelten.

Friedrich Wilhelm IV. und Elisabeth-Medaillon

Obelisk-W-Seite
Inschrift: „RESIDENZ VON / KÖNIG F. WILHELM·IV. UND / KÖNIGIN ELISABETH / VON PREUSSEN / 1845“

Friedrich Wilhelm IV. und Elisabeth-Medaillon
Verlobung Dacheroden mit W. v. Humboldt-Medaillon

Obelisk-O-Seite
Inschrift: „HEIMLICHE VERLOBUNG VON / CAROLINE V. DACHERODEN / MIT WILHELM V. HUMBOLDT / 1789“

Verlobung Dacheroden mit W. v. Humboldt-MedaillonCaroline von Dacheröden (1766-1829) begegnete Wilhelm von Humboldt (1767-1835) im Jahre 1788. Am 29. Juni 1791 heiratete sie Wilhelm in Erfurt. Sie sollte fast vierzig Jahre lang, bis zu ihrem Tod 1829, mit dem preußischen Bildungsreformer, Sprachwissenschaftler und Gesandten verheiratet sein. Aus der Verbindung gingen acht Kinder hervor, von denen drei starben. Die Ehe war geprägt von tiefer Zuneigung, lebhaftem geistigen Austausch und großer Freiheit.

 

Franzosenlager-Erfurt-Nord-Gedenkstele

Standort: S Wendenstraße, Integrierte Gesamtschule am Johannesplatz, Schulgelände, gegenüber der Bibliothek
Idee/Schöpfer: Formgestalter Arnold Bauer, Erfurt
Einweihung: 13.10.2006, durch Monsieur Thibaut de Champris, Leiter des französischen Büros in Thüringen und OB Andreas Bausewein (Ehrengäste), sowie Dr. Bernd Wilhelm, Direktor der Schule, Künstler Arnold Bauer
(ohne Inschrift)

GedenksteleDie Doppelstele aus Edelstahl wurde auf einer Rasenfläche aufgestellt, die als Ort der Stille dem Gedenken vorbehalten ist, wo heute auch an Schüler erinnert wird, die aus dem Leben gerissen wurden.
Die beiden Elemente sind schlank und annähernd von schmal-rechteckiger Gestalt, etwa 0,3 m x 2 m, sowie spaltweise versetzt. Die Schnittflächen sind leicht kurvig und die Oberflächen wellig, was bei einfallenden Sonnenstrahlen auf letztere schöne Farb- und Lichteffekte ergibt.
Die Initiative zu dem Werk ging vom Künstler selbst aus. Arnold Bauer, der in der nahen Lagerstraße wohnt, nahm an, dass der Straßenname auf ehemalige Lagerspeicher zurückgeht. Als er sich bei älteren Anwohnern erkundigte, wo denn die Speicher oder Lager standen, wurde er aufgeklärt, dass die Lagerstraße damit nicht zu tun hat, sondern vielmehr Zufahrt zum „Franzosenlager“ auf dem Johannesplatz war. Arnold Bauer forschte nicht nur selbst weiter, sondern begeisterte auch Direktor Dr. Wilhelm und seine Schüler davon, die Geschichte des „Franzosenlagers“, das sich vor über 140 Jahren an der Stelle des heutigen Schulgeländes befand, zu erforschen. Die Schüler wurden dann im Stadtarchiv fündig mit dem Verzeichnis der Kriegsgefangenen [StAE, 1-1/XI A Nr. 151 u. 154], Lageplänen, Tagebuchaufzeichnungen, Vorschriften über die Verwaltung des Lagers, sowie persönlichen Briefen und Fotografien. Die Arbeitsergebnisse überreichten sie OB Bausewein, der sich in seinen Worten im Rahmen der Enthüllung lobend an die Schüler wandte: „ Ihr habt … eine gute Arbeit geleistet.“

Gesamtansicht vom Franzosenlager 1870/71
Französisches Kriegsgefangenenlager auf dem Johannesplatz 1870/71

Die Einrichtung eines Lagers auf dem Kardinalsfleck (Johannesplatz) für französische Kriegsgefangene aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 , das bald Tausende von französischen Soldaten zählen sollte, war im September 1870 abgeschlossen. Am 9.9. trafen die ersten 2500 von ihnen ein und wurden überwiegend in Zelten im Lager untergebracht. Während für 395 gefangene Offiziere wohl annehmliche Bürgerquartiere bereitgestellt wurden, waren nach den Berichten der belgischen Zeitung „Etoile belge“ die Zustände im Lager (für die niederen Dienstgrade, die einfachen Soldaten) „schauderhaft“. Tatsächlich vertrugen die vielen gefangenen Algerier besonders die harten Wintermonate 1870/71 mit länger anhaltender Nässe und Kälte in den unbeheizten (?) Zelten nicht und die Zahl der Toten war mit 443 verhältnismäßig hoch. Sie fanden auf dem Johannes- und dem Krämpferfriedhof ihre letzte Ruhe. Am Ende des Krieges kam es am 24.März 1871 zu einem Lageraufstand der Gefangenen. Schließlich wurde das Lager geräumt, um die „Versailler Armee“ zu verstärken, die von der reaktionären bürgerlichen Regierung Frankreichs zur Niederwerfung der Pariser Kommune zusammengestellt wurde. (DT, 6, 7)

Straßen im n Umfeld des Johannesplatzes:
Lagerstraße (1904), vorher Barackenstraße genannt, führte von der Hauptstraße (Magdeburger Allee) nach SO zu Kriegsgefangenenlager mit seinen Baracken und Zelten, mündete ein in Am Johannesplatz (1912 Am Franzosenlager, ab 1950 Ammertalweg), als n Abschluss des Johannesplatzes.

 

Brandt-Denkmal, Erfurter Treffen 1970-Erinnerungsort

Dreiteilige Installation aus Leuchtschrift, Innenbeleuchtung des „Willy-Brandt-Zimmers“ und Info-Terminal in der Tourist-Information.
Leuchtschrift auf Dachfirst „Willy komm ans Fenster“ (Entwurf), abgeändert in „Willy Brandt ans Fenster“ (Realisierung)
Projektleiterin: Nicole Bemmann, Fertigung durchweg von Thüringer Firmen
Stahlgerüst 20,15 m lang, 4,5 t schwer: Weimar-Werk GmbH Linda bei Mechelroda (bereits frühere Zusammenarbeit mit Mannstein). Verzinkung: Heldrungen.
Leuchtschrift aus 21 Großbuchstaben jeweils fast einen Meter groß; Plexiglas, cremefarben; Rückwand Aluminiumblech; Licht LED's: DLI - Die Lichtwerbung GmbH Ilmenau.
Standort: Willy-Brandt-Platz, ehemaliges Hotel „Erfurter Hof“, seit 2007 Büro- und Geschäftshaus
Schöpfer: David Mannstein (2007, Entwurf), Realisierung abgeändert (Leuchtschrift)
Einweihung: 2007 / 20. Mai 2009

Brandt-Zimmer Das erste deutsch-deutsche Gipfeltreffen am 19. März 1970 in Erfurt zwischen Bundeskanzler Willy Brandt und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph gilt als eines der herausragenden politischen Ereignisse seiner Zeit, das weltweit für Schlagzeilen sorgte und Eingang in die Geschichtsbücher fand.
Die Ausgangspositionen konnten unterschiedlicher nicht sein. Brandt, der mit der neuen „Ostpolitik“ der sozialliberalen Regierung Brandt-Scheel ab Herbst 1969 unter der Maxime „Wandel durch Annäherung“ erste Schritte auf dem Weg der damals noch nicht absehbaren Einigung der beiden deutschen Staaten ging, bekräftigte die bekannte Forderung nach sogenannten „menschlichen Erleichterungen“, wie etwa für den Besuchs- und Reiseverkehr. Die Vorbehalte auf DDR-Seite waren groß. So hatte das SED-Parteiorgan „Neues Deutschland“ im Vorfeld des Treffens Brandts Ostpolitik als „Aggression auf Filzlatschen“ bezeichnet. Bei seinem Gegenüber Stoph stand die völkerrechtliche Anerkennung der DDR an oberster Stelle, verbunden mit der Festigung von Frieden und Sicherheit, „damit von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht“. Als Ausdruck des besonderen Verhältnisses zwischen beiden deutschen Staaten, der fast schon als Gemeinsamkeit angesehen werden konnte, zeigte sich in den Erklärungen vor dem Treffen, dass jede Delegation – neben der Absage an die jeweilige Hauptforderung der Gegenseite – für sich reklamiert, die Interessen der jeweils „drüben“ lebenden Menschen wahrzunehmen. Bonn beharrte auf seinem Alleinvertretungsanspruch für alle Deuschen, also auch die Bürger der DDR, weil das Land auch nach zwei Jahrzehnten seiner Existenz, nicht als Ausland angesehen wurde. Daher blieb Bundesaußenminister Walter Scheel in Bonn und DDR-Außenminister Otto Winzer ohne Gesprächspartner. Winzer begleitete Brandt in Vertretung von Stoph beim Besuch der Gedenkstätte Buchenwald am späten Nachmittag des 19. März. Willy Brandt fühlte sich seiner inneren Überzeugung folgend, auch als Kanzler der Ostdeutschen, denen er als solcher in Erfurt erstmals tatsächlich offiziell gegenübertreten konnte. (Ost-)Berlin ließ vermelden, dass „solange die Arbeiterklasse in Westdeutschland noch nicht die Machtposition in den Händen hält“, auch in ihrem Sinne zu verhandeln.
Am 21. Mai 1970 trafen sich die Regierungschefs noch einmal zum Gegenbesuch in Kassel. Auch dort kam es nicht zu einer Annäherung der verfestigten Standpunkte. Beide Treffen gingen zwar ohne greifbare Ergebnisse zu Ende, als ein Erfolg war jedoch – realistisch betrachtet – bereits ihr Zustandekommen zu sehen. Sie trugen merklich dazu bei, dass besonders die Menschen im Osten neue Hoffnung schöpften.
Später machten Vereinbarungen über Westberlin, Transitabkommen und Verkehrsvertrag die innerdeutsche Grenze ab 1972 durchlässiger. Der Grundlagenvertrag 1972 brachte schließlich die Regelung des zwischenstaatlichen Verhältnisses.

Die DDR-Sicherheitskräfte glaubten, durch umfassende Vorkehrungen alles getan zu haben, um demonstrative Sympathie- und Beifallsbekundungen für Brandt zu verhindern. Es galt die Weisung: „Höflich bestimmtes Auftreten – mehr nicht!“ Wie sich zeigen sollte, scheiterten die Pläne von Partei, Stasi und Volkspolizei jedenfalls auf dem Bahnhofsvorplatz kläglich und endeten aus ihrer Sicht in einem sicherheitspolitischen Desaster.
Am 19. März, 6 Uhr ist die Sicherung der Bahnhofsvorplatzes abgeschlossen. Erfurter und Zugereiste strömen in die Bahnhofsstraße in den schmalen Bereich hinter Straßenbahngleise und Absperrung. In der Stunde zwischen 9 und 10 Uhr, die im allgemeinen Gedächtnis von dem Treffen haften blieb, überschlagen sich die durch die anwesenden Menschenmassen  bestimmten Ereignisse. Gegen 9 Uhr kommt es an den Absperrungen zu Tumulten. Auf die Anforderung eines MfS-Genossen zum Einsatz von Wasserwerfern auf dem Bahnhofsvorplatz, wird zum Glück nicht reagiert. Als sich Stoph und Winzer vom Hotel „Erfurter Hof“ die wenigen Meter hinüber zum Hauptbahnhof zur Begrüßung der westdeutschen Delegation begeben, wird von Gastgeberseite - in fataler Fehleinschätzung der möglichen Reaktion der Massen – ein letzter Trumpf ausgespielt und eine leere Straßenbahn vorgeschoben, um die freie Sicht zu versperren. Das provoziert und stachelt die Menschen unter protestierenden Pfiffen und Schreien zusätzlich an, nach vorn zum Platz hin zu drängen. Die Straßenbahn muss zurück und die Absperrung zurückgezogen werden. Sechs Minuten nach Ankunft des Sonderzuges um 9.26 Uhr verlassen die Delegationen um Brandt und Stoph das Bahnhofsgebäude und werden von der drängenden Menge mit wiederholten „Willy“-Rufen empfangen. Nun wollte es der Zufall, dass sich hier Willi-Ost und Willy-West trafen, ihre Vornamen phonetisch glichen. Die „Willy“-Hochrufe hätten also, je nachdem für wen sie bestimmt waren, unterschiedlich interpretiert werden können, auf jeden einzeln oder auch auf beide. Warum ist dann allein die Schreibweise „Willy“ mit „y“ berechtigt, d.h. warum konnten die betreffenden Sprechchöre nur Willy Brandt gelten? Eine Frage, die in der späteren Kontroverse über die Form des künftigen Brandt-Denkmals mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Für fast jeden DDR-Bürger wäre die Beantwortung ein leichtes gewesen. Er wusste, das spontane politische Artikulation einen Tabubruch bedeuteten. Linientreue DDR-Bürger mit und ohne Parteibuch hielten sich daran. Die am späten Abend nach der Abreise Brandts auf dem Bahnhofsvorplatz verbliebenen Bestellten, riefen dann schriftlich ausgegebene Losungen! So weit wurde der Irrsinn damals getrieben. Für jeden, der mit dem DDR-System vertraut war, musste klar sein, dass die „Willy“-Rufe für Brandt bestimmt waren, wenngleich die Mehrdeutigkeit als willkommen entlastender Hintergedanke bei den Rufenden eine gewisse Rolle gespielt haben mag. Aus dem gleiche Grunde wäre eine mögliche vorgegebene Losung „Willy“ undenkbar gewesen.

Es kam zu den eindeutigen Sympathiebekundungen, die von DDR-Seite unbedingt verhindert werden sollten. Die Menschenmenge kennt nun kein Halten mehr und durchbricht Absperrung und Polizeikette, ein gespanntes Tau genügt da nicht mehr. Offiziell ist anfangs von ca. 400 bis 500 Menschen, überwiegend Jugendlichen, die Rede, die bis vor den „Erfurter Hof“ vordringen. Am Ende sind es ca. 8.000. Um 9.40 Uhr geht der Sprechchor „Willy Brandt, Willy Brandt“ über in „Willy Brandt ans Fenster“. Die Polizei will dabei Jugendliche aus den drei Erfurter Großbetrieben Pels, Optima und Funkwerk als Urheber ausgemacht haben (?). Und weiter: „Daraufhin riefen 'positive Kräfte' 'Stoph ans Fenster!' und die Jugendlichen nun 'Beide ans Fenster!'“ Zunächst erscheint kein Willy(i), stattdessen der Bonner Regierungssprecher Conrad Ahlers an einem Runderker-Fenster von Zimmer 222 des Hotels, dem ein „Pfui Ahlers, buh Ahlers“ entgegenschlägt. Ahlers hatte noch in Bonn für einen Eklat gesorgt, als er zu den Arbeitsbedingungen in Erfurt erklärte, dass es „eine halbwegs zivilisierte Gegend“ sei. Die gut informierten DDR-Bürger hatten das nicht als ironisch dahingesagt, sondern im Ton vergriffen, aufgenommen und dem Ahlers nun die Quittung dafür verabreicht.
Um 9.45 Uhr zeigt sich Brandt der jubelnden Menge vom Mittelfenster des Zimmers 222. Rechts davon ist Ahlers am geöffneten Nachbarfenster geblieben und blickt – eine Zigarette rauchend – ebenfalls auf die Menschen vor dem Hotel hinunter. In diesem Augenblick nimmt Günther Hergt das berühmt gewordene Foto – Willy Brandt am Fenster – auf, das um die Welt ging. Und wie präsentiert sich der Kanzler dort am Fenster? Weder in Jubelpose, noch winkend, eher beide Hände nach unten führend, um auf die euphorische Stimmung der Menschen beruhigend zu wirken. Die Geste kommt an. Obwohl sichtlich bewegt von der Szenerie, bleibt Brandt selbstbeherrscht und distanziert, wie übrigens den gesamten Tag von Erfurt über. Er vermeidet alles, was seine Gastgeber brüskieren und den Erfolg der Gespräche gefährden könnte. Das ist seine politische Mission bei dem Treffen, in einer entspannten Gesprächsatmosphäre, Fortschritte in den Beziehungen erreichen. Dem ordnet er alles unter. Als Willy Brandt das Fenster verlassen hatte, sind noch vereinzelt Rufe zu hören: „Willy Stoph ans Fenster.“ und „Beide, beide.“, die erfolglos bleiben. Wie es in seinem Innersten an diesem 19. März 1970 aussieht, das machte Willy Brandt später in seinen Erinnerungen deutlich: „Der Tag von Erfurt, gab es einen in meinem Leben, der emotionsgeladener gewesen wäre?“ Es waren nur wenige Minuten, die sich der Kanzler in dem Zimmer, das nach 1990 seinen Namen erhielt, aufgehalten hatte. 1990 kehrte Willy Brandt noch einmal dorthin zurück, als der „Erfurter Hof“ noch existierte und sich zu 1970 kaum verändert darbot. Tatsächlich logierte der Politiker eine Etage höher, sowie aus Gründen der Sicherheit, Abgeschirmtheit und Ruhe nach hinten heraus. Genächtigt hat er damals dort aber nicht, es ging am späten Abend wieder zurück gen Westen. Nur einmal gerät der Ablauf noch ins Stocken, als der Sonderzug in Hochheim wegen festgefahrener Bremse halten muß. Da ist das Erfurter Treffen aber bereits Geschichte.

Brandt-Leuchtschrift

Erst nach dem Ende der DDR 1990, ergab sich die realistische Möglichkeit, das 1970er Treffen und damit Willy Brandt zu würdigen und an beides zu erinnern. Doch der Niedergang des Hotels und sein Schließung 1995, das jahrelange Warten auf ein Nutzungskonzept sowie die Sanierung des Hauses, machten die Planung für ein dortiges Denkmal weiterhin unmöglich. Der Verein „Willy Brandt im Erfurter Hof“ bemühte sich in dieser Zeit, die Erinnerung an 1970 wachzuhalten und installierte ein lebensgroßes Foto „Willy Brandt am Fenster“ am originalen Ort. Der Umbau zu einem Büro- und Geschäftshaus kam dann Mitte der 2000er Jahre, der Bahnhofsvorplatz wurde in Willy-Brandt-Platz benannt und eine Gedenktafel für den Politiker am ehemaligen „Erfurter Hof“ unterhalb des berühmten Erkerfensters angebracht.
Was noch fehlte, war das eigentliche Denkmal. Es sollte das nunmehr über 35 Jahre in die Vergangenheit entrückte Erfurter Treffen mit seiner Initialwirkung auf die deutsche Einigung auch den Generationen, die damals nicht Zeitzeugen waren, ins Bewusstsein bringen. Dazu wurde am 31. August 2006 ein Ideenwettbewerb „Kunst im öffentlichen Raum“ ausgeschrieben, um den Politiker und Menschen Willy Brandt zu ehren, der entscheidend zur Annäherung der beiden deutschen Staaten beigetragen hat. Damit war umrissen, dass sich die Stadt Erfurt ein Denkmal vorstellt, das dem besonderen historischen Anlass durch eine ebensolche zeitgemäße historische Umsetzung möglichst nahe kommt. In der außergewöhnlich großen Wettbewerbsjury unter Vorsitz von Prof. Kai-Uwe Schierz, damaliger Direktor der Kunsthalle, war die höchste künstlerische Kompetenz versammelt, die Erfurt zu bieten hatte, um die möglichst ausgewogendste und beste Auswahl zu treffen. Sie fiel am 5. März 2007 auf den Entwurf des Berliner Künstlers David Mannstein, der sich gegenüber den anderen eingereichten Arbeiten als einzigartig heraushob.
Der Sieger konzipierte das Brandt-Denkmal als eine dreiteilige Installation in moderner visuell-medialer Formensprache zu der bereits vorhandenen Gedenktafel unter dem „Brandt-Zimmer“:

  • Die Leuchtschrift “Willy komm ans Fenster“ auf dem Dachfirst des zurückgenommenen Mittelteils des „Erfurter Hofs“,
  • die Innenbeleuchtung des „Willy-Brandt-Zimmers“
  • das Info-Terminal in der Tourist-Information.

Das oberste Element der Anlage, die Leuchtschrift, erweist sich dabei als das bei weitem wirkungsvollste. Hier gelingt es dem Künstler, aus dem heutigen Zeitgeist heraus, über die Persönlichkeit Willy Brandt auf ein bedeutendes Ereignis der jüngeren deutschen Geschichte zu vermitteln, das einen frühen Beitrag zur Überwindung der deutschen Teilung leistete. Nicht alle Teile des Denkmals können in ihrer Wirkung so überzeugen, was in einem Versuch der Bewertung anklingen soll.

  • Die Leuchtschrift – der stärkste Teil. Die beeindruckendste Leistung Mannsteins. Genial, wie er darin gleich dreifach erinnert und würdigt: Willy Brandt, Volkes Stimme mit ihren Rufen und damit der historische Anlass – das Treffen. Die gewählte Fassung „Willy komm ...“ spricht den Betrachter sofort an, ist volksnah, sympathisch, ein wenig kumpelhaft und ostdeutsch und stark assoziativ. Um vom Parteipolitischen wegzukommen, verzichtet Mannstein auf den Nachnamen und wählt statt roter helle Buchstaben. Durch einfach klare Letter gewinnt die Schrift, besonders wenn sie bei Dunkelheit erleuchtet ist, große Weitenwirkung. Sie ist für Reisende auf der Bahnsteigebene des Hauptbahnhofs lesbar.
  • Die Beleuchtung des Zimmers – der schwächste Teil. Die Idee – das Zimmer korrespondiert mit „Fenster“ in der Leuchtschrift – ist zwar lobenswert, sie entwickelt aber ihre eigentliche Wirksamkeit erst am späten Abend oder in der dunkleren Jahreszeit, wenn Schriftzug und Brandt-Zimmer erleuchtet und alle anderen Zimmer zum Platz hin dunkel sind. Dann liegt es nur noch am Betrachter zwischen „Fenster“ und Zimmer die Verbindung zu finden, dass „Willy“ an eines der erhellten Fenster trat.
  • Das Info-Terminal vermittelt ausreichend Fakten zum Denkmalprojekt, über den Künstler Mannstein und nicht zuletzt über das Erfurter Gipfeltreffen. Aber auch hier ist die Wirksamkeit eingeschränkt. Der Zugang zum Terminal ist an die Öffnungszeiten der Information gebunden, ansonsten hilft beim Auffinden nur der Zufall oder eine kompetente Auskunft. Wünschenswert wäre deshalb eine frei zugängliche Info-Tafel, wie sie vielerorts zu finden ist, die knapp über das dreiteilige Brandt-Denkmal informiert.

Die Jury traf eine mutige, künstlerisch ambitionierte Entscheidung, die richtig schien. Was sich aber nun folgte war nicht die Realisierung des Entwurfs, sondern eine an Heftigkeit hier noch nicht da gewesene Debatte, die das zu erwartende Maß an Kritik weit übertraf und als sogenannter „Erfurter Denkmalstreit“ in die Annalen einging. Das Bild, das sich dabei deutschlandweit über die Aufgeschlossenheit, Toleranz und Sensibilität eines großen Teiles der Öffentlichkeit hierzulande verbreitete, war nicht vorteilhaft. Sicherlich sind Gegenmeinungen völlig legitim und auch notwendig, wenn sie mit der erforderlichen Sachlichkeit und einem gewissen Augenmaß vorgetragen werden. Daran fehlte es aber häufig. Es hagelte Eingaben und Proteste. Grundsatzfragen kamen auf: Ist ein simpler Schriftzug bereits Kunst? oder Ist die geplante Installation überhaupt ein Denkmal? Schließlich wurde das Denkmalprojekt insgesamt in Frage gestellt.
Vergleichbare Streitfälle zu Denkmalsentwürfen gab es auch vorher schon in Erfurt. Erinnert sei nur an das Denkmal des Unbekannten Wehrmachtsdeserteurs (dort auch inhaltlich) oder in jüngerer Zeit die Jüdischen Opfer-DenkNadeln. Das Ausmaß und die Schärfe, mit der sich die öffentliche Meinung nun gegen den Mannstein-Entwurf aussprach, übertraf alles bisherige. Hinzu kam, dass sich die Argumentation nicht selten auf einem doch dürftigen Niveau bewegte. Viele sehnten sich nach alt hergebrachten bewährten Denkmalformen zurück, manche verwiesen zudem auf ein dann günstigeres Kosten-Wirkungsverhältnis. Unter Berücksichtigung all dessen, konnte auf die Frage „Ist Erfurt reif für dieses Denkmal?“ eigentlich nur ein „Nein“ oder wenigstens ein „Noch nicht“ kommen. Die Akzeptanz neuer, abstrakter, bisweilen provokanter Formen – insbesondere wenn es um ein Denkmal geht – ist weiterhin gering ausgebildet und entwicklungsbedürftig. Wir sollten stärker dazu bereit sein, moderne Kunst im öffentlichen Raum zu wagen und zuzulassen. Dieser Anspruch ist eine Konsequenz der sich ständig weiterentwickelnden Formen der Wahrnehmung, Information oder Kommunikation, die fast alle Lebensbereiche betreffen.
Die Chance, die sich bei der Umsetzung des Brandt-Denkmals bot, wurde leider (noch) vertan. Heftiger „Gegenwind“ erreichte auch die Offiziellen der Stadt, die sich veranlasst sahen, durch Vermittlung einen Ausweg aus der verfahrenen Situation zu finden. Das gelang dann auch dem OB Bausewein durch einen Kompromiss, der jedoch zu Lasten des künstlerischen Entwurfs Mannsteins ging. Anders als bei den DenkNadeln, wo die Künstlerin an ihrem Entwurf konsequent festhielt, willigte Mannstein aufgrund des auch für  ihn deutlich spürbaren Drucks letztlich in die Abänderung seines Entwurfs ein. Sie betraf allein die Leuchtschrift, in der das zweite Wort „komm“ durch „Brandt“ zu ersetzen war. Damit konnten sich die Stimmen durchsetzen, die einem originalen Wortlaut den absoluten Vorrang vor einer freien künstlerischen Interpretation gaben. Mit diesem doch erheblichen Eingriff in den Entstehungsprozess des Denkmals, wurden dem Künstler seine vielleicht wichtigste Idee und damit die Identifikation mit dem Werk genommen. Es erscheint daher auch berechtigt, die Künstlerschaft Mannsteins nur noch auf den siegreichen Entwurf zu beziehen, während die Realisierung als eine populistisch beeinflusste Fassung gelten mag. Nachzuempfinden ist, dass Mannstein weiterhin etwas betrübt die Änderung seines Textes bedauere und es nicht einer gewissen Tragik entbehrt, wenn das einzig durch ihn gewürdigte „rufende Volk“ nun gegen den Künstler aussprach. Immerhin hat sich „das Volk“ erneut durchgesetzt, nachdem es am 19. März 1970 die Absperrungen überwand, überstimmte es 2007 eine falsch verstandene Würdigung. Mit dem ausgehandelten Kompromiss waren die Probleme jedoch mitnichten gelöst, sie begannen erst richtig. Mannstein hatte zwar ein mögliches parteipolitisches Konfliktpotential wohlbedacht und seine Textwahl dahingehend entschärfend angepasst, mit der Hereinnahme des Namens „Brandt“ war es jedoch auch um diesen guten Gedanken geschehen. Das Denkmal geriet zum Zankapfel zwischen Parteilagern, zu einem größeren Politikum, was sich auch in einer anhaltend negativen Bewertung bis hin zu Ablehnung aus dem in seiner Befindlichkeit erheblich verletzten Lager zeigte.

Straßennamen: Willy-Brandt-Platz

 

Alter Jüdischer Friedhof

Standort: Cyriakstraße
Einweihung: 6.8.2009 (Neugestaltung)

Gedenkstein auf Altem Jüdischen Friedhof
Alter Jüdischer Friedhof
Alter Jüdischer Friedhof

Der Friedhof in der Cyriakstraße wurde 1811 angelegt, nachdem sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder Juden in Erfurt ansiedeln durften. Er wurde bald zu klein, durfte aber nicht erweitert werden. 1878 wurde daher ein neuer jüdischer Friedhof an der heutigen Werner-Seelenbinder-Straße angelegt. Für Juden ist der Friedhof ein „Haus des Lebens“ mit der immer währenden Grabruhe. Nach dem jüdischen Religionsgesetz, der Halacha, darf die Totenruhe nicht gestört werden. „Die Lebenden ruhen gleichsam auf den Schultern der Toten“, sagte der damalige Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Wolfgang Nossen am Einweihungstag. 1926 wurde der Friedhof durch Angehörige des Wikingbund geschändet, alle Grabmale umgestoßen. 1939 mußte das Gelände unentgeltlich der Stadt überlassen werden und wurde 1944 nochmals zerstört.
Die Totenruhe blieb auch im Sozialismus weiter gestört. Obwohl die jüdische Gemeinde das Grabfeld 1948 zurückbekam, wurde es erneut unter Druck an die Stadt übergeben. Es wurde ein Kinderspielplatz darauf gebaut, später Garagen für die Staatsanwaltschaft daneben. Nach der Wendezeit hatte es über 15 Jahre gebraucht, bis die diffizilen Grundstücksfragen endgültig geklärt waren. (DT)

 

Jüdische Opfer-DenkNadeln

Standorte: Stadtgebiet, meist Innenstadt
Schöpfer: Sophie Hollmann, Erfurt
Einweihung: 2009 - 2013

Initiator der DenkNadeln ist der Arbeitskreis „Erfurter GeDenken 1933-1945“, welcher die Erinnerung an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger im Nationalsozialismus in der Stadt fest verankern möchte. Bei der künstlerischen Umsetzung ging man in Erfurt einen neuen Weg, neben dem der bekannten und schon in einigen deutschen Städten vorzufindenden „Stolpersteinen“. Eine Erfurter DenkNadel soll eine Pinnnadel in perspektivischer Draufsicht symbolisieren. Unter dem farblich auffallenden Knopf ist am oberen Rand des Edelstahlcorpus jeweils eine kleine Tafel zu Person(en) und den bekannten Lebensdaten angebracht.
Jeweils an einem 9. November, an dem sich die Reichspogromnacht 1938, die als Beginn der Shoa, dem Völkermord an den Juden, gilt, wurden die Denknadeln an den letzten Wohn- oder Wirkungsorten im innerstädtischen Bereich gesetzt. Die dabei zugrunde liegende Idee, dem Massenschicksal Namen und Ort zu geben, ist Ausdruck einer lebendigen Erinnerungskultur, die an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte mahnt.
Insgesamt konnten neun DenkNadeln errichtet werden - 2009 die ersten vier und 2013 die neunte und (vorerst) letzte. Damit beendete der Arbeitskreis die Installation von DenkNadeln im öffentlichen Raum, nicht aber sein bürgerschaftliches Engagement. Er führt die Erinnerungsarbeit innerhalb des Netzwerkes von Einrichtungen jüdischen Lebens in Erfurt weiter. Die Einweihungen der Nadeln fanden oft im Beisein naher Verwandter und in sehr bewegender Form statt. Sie waren alle gerührt über diese besondere Form des Gedenkens und über das große Interesse und die Anteilnahme der Erfurter BürgerInnen.

Spier-DenkNadel

Standort: Straße des Friedens 1
Einweihung: 9. November 2009

Spier-DenkNadel
Spier-Gedenktafel
Spier-Gedenktafel

Das Ehepaar Dr. phil. Hilde und Carl Ludwig Spier floh mit ihren beiden Kindern 1935 ins Exil nach Brüssel, kam später auf getrennten Wegen in Südfrankreich wieder zusammen, wurde interniert, konnte die Kinder noch in sicherer Obhut geben bevor sie ausgeliefert wurden. Die Tochter des Ehepaars, Marianne (79) weihte die DenkNadel ein.

Schüftan-DenkNadel

Standort: Straße des Friedens 13
Einweihung: 9. November 2009

Schüftan-DenkNadel
Schüftan-Gedenktafel
Schüftan-Gedenktafel

Blondina Schüftan, die Frau des bereits am 26. März 1936, einen Tag vor seinem 49. Geburtstag, verstorbenen Rabbiners, Dr. Max Schüftan, der seit August 1923 nebenbei auch als isreal. Religionslehrer an der Königin-Luise-Schule tätig war, organisierte nach der Brandzerstörung der Synagoge am 9. November 1938 durch die Nazi, in ihrer Wohnung in der damaligen Friedrichstraße 13 das Gemeindeleben. Sie hat sich in dieser Zeit für die verbliebende Gemeinde selbstlos aufgeopfert, eine Auswanderungsberatung und Praxisräume für jüdische Ärzte, die nicht mehr praktizieren durften, bereitgestellt, bevor sie 1942 deportiert wurde.
Dina Schüftan, die nach ihrer Großmutter benannte Enkelin Blondina Schüftans, kam eigens aus Jerusalem nach Erfurt gereist, um der Einweihung beizuwohnen.

Stein-DenkNadel

Standort: Puschkinstraße 16
Einweihung: 9. November 2009

Stein-DenkNadel
Stein-Gedenktafel
Stein-Gedenktafel

Der im September 1933 zwangsweise in den Ruhestand versetzte Lehrer Leopold Stein unterrichtete jüdische Schulkinder, bevor er gemeinsam mit seiner Frau Elly in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde.
Die Enkelin der Steins, Judith Bernstein und ihr Mann Reiner, weihten die Nadel ein.

Beer-DenkNadel

Standort: Domplatz 23
Einweihung: 9. November 2009

Beer-DenkNadel
Beer-Gedenktafel
Beer-Gedenktafel

Der Vierjährige Günther Beer war der jüngste Einwohner Erfurts, der deportiert wurde. Er kam mit seiner Mutter und den Großeltern 1942 ins Ghetto Belzyce.

Ehrlich-DenkNadel

Standort: Bahnhofstraße 40
Einweihung: 9. November 2010 oder 2011

Ehrlich-DenkNadel
Ehrlich-Gedenktafel
Ehrlich-Gedenktafel

Der Facharzt für Magen-, Darm- u. Stoffwechselkrankheiten, Dr. med. Ernst Ehrlich, war ab Oktober 1938 von Berufsverbot betroffen. Am 9. November 1938 (Reichspogromnacht) wurde er verhaftet, in den Sammelpunkt Turnhalle des Realgymnasiums gebracht und am nächsten Tag ins KZ Buchenwald transportiert. Ab Juli 1939 war er als letzter "Krankenbehandler" in Erfurt tätig, d. h. ausschließlich zur Behandlung von Juden zugelassen. Dr. Ernst Ehrlich starb am 13.10.1942 im Ghetto Theresienstadt.

Rosenblüth-DenkNadel

Standort: Meister-Eckehart-Straße 1, auf dem Hof des Evangelischen Ratsgymnasiums
Einweihung: 9. November 2010 oder 2011

Rosenblüth-DenkNadel
Rosenblüth-Gedenktafel
Rosenblüth-Gedenktafel

Naemi Rosenblüth war seit Ostern 1937 Schülerin der damaligen Mittelschule für Mädchen, genannt Kasinoschule. Im Oktober 1938 wurde sie zusammen mit Mutter und Schwestern im Rahmen der sogenannten Polenaktion abgeschoben.

Cohn-DenkNadel

Standort: Johannesstraße 98, ehemaliges Ghettohaus
Einweihung: 9. November 2010 oder 2011

Cohn-DenkNadel
Cohn-Gedenktafel
Cohn-Gedenktafel

Max Cohn wurde im Sommer 1942 mit Frau, einer Nichtjüdin, und ihren drei Kindern in eine Wohnung im ersten Stockwerk des Hinterhauses eingewiesen. Das Ghettohaus, war von Gestapo und Stadtverwaltung als "Judenwohnraum" bestimmt. Nach Denunziationen kamen Max sowie die Kinder Helmut und Rosemarie in verschiedene KZ, wo sie sehr wahrscheinlich umkamen.

Dublon-DenkNadel

Standort: Anger 46
Einweihung: 9. November 2012

Dublon-DenkNadel
Dublon-Gedenktafel
Dublon-Gedenktafel

Die Brüder Erich und Wilhelm Dublon betrieben dort bis 1938 ein Schuhgeschäft, bevor sie im Mai 1939 mit ihren Familien in Hamburg an Bord eines Flüchtlingsschiffes gingen. Tragischerweise scheiterte die Flucht, sie landeten in Belgien. Erich wurde 1942, sein Bruder Wilhelm 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und beide dort ermordet.

Simon-DenkNadel

Standort: Lutherstraße 5
Einweihung: 9. November 2013, 18 Uhr

Simon-DenkNadel
Simon-Gedenktafel
Simon-Gedenktafel

Herta Simon wohnte gemeinsam mit Mutter und Großmutter dort. Herta war  vorübergehend als Hausgehilfin tätig und wollte in dieser Tätigkeit nach Schottland auswandern, wozu es nach Kriegsausbruch nicht mehr kam. Sie wurde zusammen mit der Mutter am 9. Mai 1942 in das Ghetto Belzyce deportiert.
Diese neunte DenkNadel initiierten die Träger des mitteldeutschen Rundfunkpreises 2012. Mit dem Preis wurden Audiofeatures zu den Erfurter Denknadeln ausgezeichnet, die Radio F.R.E.I. mit Schülern des Königin-Luise-Gymnasiums produziert hat.
Zustifter sind der Hauseigentümer und die Nutzer des ersten Obergeschosses der Lutherstraße 5.

 

Bombenopfer Klosterbibliothek 1945 Gedenkstätte, Ort der Stille, Ort der Versöhnung

Standort: Evangelisches Augustinerkloster – Lutherstätte – Keller im Haus der Versöhnung  (Neubau der Bibliothek)
Einweihung: 27. August 2010 durch die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Frau Ilse Junkermann

Tafel von der Zerstörung der KlosterbibliothekAm 25. Februar 1945 detonierte eine englische Luftmine über der historischen Klosterbibliothek, zerstörte sie und riss 267 Menschen, die im Keller Schutz gesucht hatten, in den Tod. Nur ein Mädchen und ein Hund konnten gerettet werden.
Am 25. Februar 2008, dem Tag der Grundsteinlegung für den Wiederaufbau der  Klosterbibliothek, wurde das Nagelkreuz von Coventry vom Canon der dortigen Kathedrale überreicht. Deutsche Bomben zerstörten 1940 Coventry und seine Kathedrale. Drei Nägel unter den Trümmern der Kathedrale sind zum Kreuz zusammengefügt. Es ist ein Zeichen für Versöhnung und Frieden. Die Kreuzorte sind als Nagelkreuzzentren – das Augustinerkloster bildet das erste in Thüringen - in der Nagelkreuzgemeinschaft miteinander verbunden und laden ein zum FRIEDENSGEBET VON CONVENTRY. (DT)

Ort der StilleNagelkreuz von Coventry

Opfer des II. Weltkrieges-Gedenkstein, ND (Doppeldenkmal), versetzt

Standort: Niedernissa, Lindenanger
Einweihung: um 2010

Opfer des II. Weltkrieges-GedenksteinVermutlich im Rahmen der Neugestaltung des Ortszentrums am Lindenanger wurde der Findling (ND) von seinem bisherigen Platz zwischen dem Linderbach und der Ortsstraße Am Pfingstbach etwa 10 m versetzt, mit einer Inschrift aus aufgesetzten Buchstaben versehen und so als Gedenk- und Friedensmal nachgenutzt. (DT)

 

Erfurter Parteitag-Gedenktafel

Plexiglastafel, zur Wand abstehend angebracht
Standort: Futterstraße1) 15/16 „Kaisersaal“, äußerste rechte Laibung der fünf Eingangsportale
Anbringung/Enthüllung: 20. Oktober 2011
1) Als Futtergasse erstmals 1321 erwähnt, nach der dort ansässigen Zunft der Futterer. Sie waren vom Mainzer Erzstift dazu ermächtigt, die „Futterkasten“ zu halten, also Pferdefutter zu verkaufen.

Erfurter Parteitag-Gedenktafel
Kaisersaal
Kaisersaal in der Futterstraße

Die lang ersehnte und schwer erkämpfte Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 bot den Sozialdemokraten den willkommenen Anlass, dies mit einer zünftigen „Begräbnisfeier“ zu begehen. Und wo? Natürlich im „Kaisersaal“, der sich bereits über zwei Jahrzehnten zum bevorzugten Versammlungsort der Erfurter Arbeiterschaft etabliert hatte. Zu den großen politischen Veranstaltungen kamen hier 2000 Personen zusammen.
In den letzten Jahren des Sozialistengesetzes, zu dem sich selbst in der preußischen Ministerialbürokratie schon längst Zweifel regten, ob dies noch das geeignete Kontrollinstrument darstelle, gelangten marxistische Ideen zu immer größerer Breitenwirkung unter der Erfurter Sozialdemokratie. Dies war vor allem auch ein Verdienst von Paul Reißhaus, 1889 Teilnehmer der II. Internationale in Paris, der es verstand ,die Positionen von Bebel und Liebknecht weiter zu vermitteln. Bei den Reichstagswahlen am 20. Februar 1890, wurde die Sozialdemokratie mit Reißhaus erstmals die stärkste Partei in der Stadt Erfurt. Sie konnte sich in der Stichwahl gegen das konservative Lager durchsetzen, nachdem sie im 1. Wahlgang nur knapp an der absoluten Mehrheit gescheitert war. In Erfurt gelang es seit den letzten Wahlen 1884, legale und illegale Parteiarbeit – unter geheimer Führung von Reißhaus u.a. - in fast idealer Weise zu verbinden und das Sozialistengesetz immer weiter auszuhöhlen. Diese Leistung der Erfurter Sozialdemokraten trug mit dazu bei, dass schließlich im Januar 1890 eine Mehrheit im Reichstag gegen die Verlängerung des Sozialistengesetzes votierte und damit Reichskanzler Bismarck zum Rücktritt veranlasste. Am 1. Mai 1890 wurde zwar die größte Kundgebung zum Tag der Arbeit im „Kaisersaal“ nochmals aufgelöst, aber danach hatte das Sozialistengesetz endgültig ausgedient. Der Weg war nun frei, ganz legal sozialdemokratische Ortsvereine zu bilden.
Die Frage nach der programmatischen Ausarbeitung für die Arbeiterpartei gelangte nun zunehmend notwendiger auf die Tagesordnung. Diese Arbeit war bereits im Jahr nach dem Fall des Sozialistengesetzes so weit fortgeschritten, dass mit der Vorbereitung eines wegweisenden Parteitages der deutschen Sozialdemokratie begonnen werden konnte.
Als Tagungsort fiel die Wahl nicht ganz unerwartet auf Erfurt, sicherlich der zentralen Lage wegen, bestimmt aber auch angesichts der großen Erfolge, Stärke und des Selbstbewusstseins, den die hiesige Arbeiterschaft im politischen Kampf gewonnen hatte.
Vom 24. bis 30. Oktober 1891 wurde der bedeutende Parteitag nach Erfurt in den geschichtsträchtigen „Kaisersaal“ einberufen. Paul Reißhaus als führender, verdienstvoller Funktionär der gastgebenden Sozialdemokraten eröffnete die Tagung, die unter Leitung von August Bebel, Wilhelm Liebknecht und Paul Singer stand. Der Parteitag beschloss ein  neues Programm, das die Lehren aus dem Kampf unter dem Sozialistengesetz zog und die Kritik von Marx und Engels am Gothaer Programm berücksichtigte. Die Durchsetzung weitgehender bürgerlich-demokratischer Rechte und die Verbesserung der Lage des Proletariats wurden als Nahziele ausgegeben. Das „Erfurter Programm“ blieb für Jahrzehnte die offizielle politische Richtlinie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Der namensgebenden Stadt sicherte es darüber hinaus einen bleibenden Platz in der Geschichtsschreibung und die Verbindung zu einem mit Fortschritt assoziierten Ereignis großer internationaler Tragweite.
1963 ging der Gebäudekomplex „Kaisersaal“ in die Trägerschaft des VEB Büromaschinenwerk Optima über, der es nun als Kulturhaus für seine Beschäftigten nutzte. Anfang der 1980er Jahre richtete die Betriebssportgemeinschaft (BSG) Optima, Sektion Billard, mehrere Räumlichkeiten im westlichen Gebäudetrakt in Eigenleistung her, um dort auf drei Turnierbillards ihre Sport ausüben zu können. Diese leider nur wenige Jahre währende Episode belebte eine frühe Tradition als Billardhaus neu, die bis ins 18. Jh. zurück reichte.
1964 wurde die „Gedenkstätte Erfurter Parteitag 1891“ eingerichtet, um an das wohl geschichtlich bedeutendste Ereignis in diesem Hause in würdiger Form zu erinnern, und nicht ohne nebenbei auf die Erfolge beim sozialistischen Aufbau in der DDR hinzuweisen. Die Gedenkstätte wurde zu einer Pilgerstätte, organisiert besucht von Arbeitskollektiven, Schüler- und Studierendengruppen sowie von politische Interessierten auch aus dem Ausland. In den 25 Jahren ihres Bestehens konnten in der Gedenkstätte beeindruckende 400.000 Besucher begrüßt werden.
Etwa um 1988, als die DDR bereits ihrem unausweichlichen Untergang entgegen eilte, hatte man große Pläne vor mit dem inzwischen darnieder liegenden „Kaisersaal“ - das 100. Jubiläum der Annahme des marxistischen „Erfurter Programms“ 1991 stand bevor.
Das musste planmäßig genutzt werden. Mit einer aufwendigen Rekonstruktion nach originalem Vorbild sollte der Saal wieder glanzvoll erstrahlen. Dazu kam es, wie bekannt ist, nicht mehr, jedenfalls nicht in der DDR. Deren Ende 1989/90 bedeutete auch das Aus für die Gedenkstätte und das Jubiläum ging in dem allgemeinen Aufbruchstrubel unter.
Die Pläne konnten aber dennoch verwirklicht werden, wenn auch anders, aber besser.
Von 1991-94 wurde der gesamte Gebäudekomplex einer mehrjährigen umfangreichen Rekonstruktion unterzogen, von der Wiederherstellung der klassizistischen Fassade bis zum Glanzpunkt „Kaisersaal“. Rund 35 Millionen DM aus Städtebauförderung, Mitteln der  Denkmalpflege und der Länder Thüringen sowie Nordrhein-Westfalen(!) wurden in das Ensemble investiert, bis das traditionsreiche Haus am 15. Mai 1994 wiedereröffnet werden konnte. Mit hohem Aufwand hat man sich der Erneuerung des Saales mit den umlaufenden zwei Rängen und dem freigelegten und restaurierten Deckenbild von 1870 gewidmet. Die Ergebnisse können sich sehen lassen.
Weniger rühmlich war es allerdings mit der Erinnerungskultur zum „Erfurter Parteitag“ und seinem Programm nach 1990 bestellt. Die Genossen von der SPD, deren ureigenstes Interesse eigentlich darin bestehen sollte, ihre historischen Wurzeln lebendig zu halten, wollten sich nicht so recht erinnern. Die anderen ohnehin nicht. So vergingen die Jahre, bis schließlich doch noch 2011, genau 120 Jahre nach dem der Parteitag zu Ende ging,  eine Erinnerungstafel angebracht werden konnte. (DT, 6)

 

Moses-Ehrenhain bei Stotternheim

Standort: O Stotternheim, O-Ende Luthersteinweg, etwa 100 m w Lutherstein
Stifter: ASB Regionalverband Mittelthüringen
Einweihung: November 2012
Inschrift: Dieser Hain wurde angelegt zu Ehren von | Dr. Oskar Moses | 1873 - 1938 | Als Armenarzt und als Verbandsarzt des ASB | erwarb er sich große Verdienste um das | Gesundheitswesen der Stadt Erfurt. | Erfurt, im November 2012 | ASB Regionalverband Mittelthüringen

Moses-GedenksteinMoses-Gedenktafel

Moses-Ehrenhain

 

Totentanzrelief an der Barfüßerkirche

Bronzeguss, gestiftet von Kunstfreunden aus Deutschland 2012.
Standort: Langhaus-Ruine, S-Wand, neben dem Zugang zum Innenraum
Schöpfer: Hans Walther, Relief aus dem Zyklus "Totentanz", 1947
Enthüllung: 24. November 2012, 18 Uhr, durch den OB Andreas Bausewein

Totentanzrelief an der Barfüßerkirche1947/48 schuf Hans Walther (1888-1961), in einer Phase der Bewältigung und künstlerischen Verarbeitung des zweiten Weltkrieges, fünf Tafeln zum uralten Thema des Totentanzes – eine seit dem 14. Jahrhundert aufgekommene Darstellung der Gewalt des Todes über das Menschenleben. Auch Erfurt besaß einen Totentanz-Zyklus aus 56 großen Ölgemälden, von denen 36 Ölgemälde von dem bedeutenden Erfurter Maler Jakab Samuel Beck (1715-78), als sein Hauptwerk, stammten. Der im Augustinerkloster ausgestellte Zyklus wurde beim großen Stadtbrand von 1872 vollständig zerstört.
Zumeist ist die Darstellung von Tanz und Tod gemeinsam verbildlicht. Vier der fünf Tafeln Hans Walthers "Totentanzreliefs" befinden sich im Angermuseum Erfurt. Sie zeigen den Schrecken des Krieges: Der als Skelett personifizierte Tod ist der Beherrscher des Chaos und Dirigent der Menschen-Skelette.
Die fünfte Tafel galt als verschollen und existierte nur als Fotodokument. Auf ihr dirigiert der Tod (im Vordergrund links) ein großes Orchester von Skelett-Musikern (auf der rechten Seite) und winkt mit seiner erhobenen linken Hand über der Ruine der Barfüßerkirche kreisende „Skelett-Vögel“ heran. Die Tafel ist nun gleichsam wieder auferstanden: Im Sommer 2011 schenkte ein großherziger Kunstfreund dem Initiativkreis Barfüßerkirche einen Abguss des Originals. Der Initiativkreis beschloss, das für Erfurt so wichtige Kunstwerk 65 Jahre nach seiner Entstehung und 68 Jahre nach der Zerstörung der Barfüßerkirche in Bronze umgießen zu lassen und die Arbeit Hans Walthers so zum guten Ende zu führen.
Dem Engagement der Erfurter Bürger und dem Initiativkreis Barfüßerkirche ist es zu verdanken, dass die 5. Tafel des "Totentanzzyklus" als bisher einziges Relief in Bronze gegossen werden konnte. Hans Walthers Kunstwerk erhielt seinen endgültigen Platz an der Barfüßerkirche in Erfurt.

Barfüßerkirche, LanghausruineTotentanz Tafel

Der heutige Zustand des Bauwerks geht auf die Detonation einer Luftmine in der Barfüßerstraße am 26. November 1944 zurück. Ihr fiel die gesamte Südfront und das Dach des Langhauses samt der Gewölbe zum Opfer. Bis 1977 war die Kirche Gotteshaus der evangelischen Barfüßergemeinde. Nach umfangreicher Rekonstruktion ist der Chor seit 1982 als Außenstelle des Angermuseums für Besucher zugänglich.
Der Innenraum der Langhaus-Ruine wird seit Jahren zu stimmungsvollen Open-Air-Aufführungen im Erfurter Theatersommer genutzt. (Karsten Horn, gekürzt, verändert, DT)



Letzte Aktualisierung ( 05. 02. 2020 )
 
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