Streuobstwiesen |
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Geschrieben von Alexandra Zicke | |
16. 06. 2006 | |
Inhaltsverzeichnis
1. StreuobstwiesenDie Streuobstwiese, auch Obstwiese genannt, ist die ursprüngliche und traditionelle Form des Obstanbaus. Auf den Streuobstwiesen stehen hochstämmige Obstbäume (Kronenansatz 160 – 180 cm) unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Arten und Sorten. Die Streuobstwiesen sind eine landwirtschaftliche Mehrfachnutzung einer Fläche. Denn sie dienen der Obsterzeugung und werden zudem als Mähwiese zur Heugewinnung, als Viehweide, teilweise auch zur Imkerei oder als Nutzgarten verwendet. Der Unterwuchs kann hierbei zu verschiedenen Vegetationstypen gehören. Überwiegend handelt es sich um Mährasen, Weiderasen, Magerrasen bis hin zu Staudenfluren. Die intensive Form des Obstanbaus ist dagegen die Obstplantage aus Niederstamm–Obstsorten in Monokultur bis zu 3.000 Bäume pro Hektar). Eine Sonderform stellen Streuobstäcker dar. Hierbei wird der Boden beackert und nicht als Grünland genutzt. Diese Form der Nutzung hat sich insbesondere in Franken ausgebildet. 2. Kulturhistorischer AbrissDie Herkunft der Bezeichnung Streuobstwiese leitet sich von dem Begriff „Obstbau in Streulage“ ab. Nach derzeitigen Erkenntnissen wurde er erstmals 1940 für den nichtgewerblichen Hochstamm-Obstbau in Schleswig-Holstein verwendet. Davor war die Bezeichnung Obstwiese gebräuchlich. Sie ist auch heute noch in einigen Regionen zu finden. Streuobstwiesen waren ab dem 18. Jahrhundert oft gürtelförmig um die Dörfer angelegt oder verbanden einzelne Ortschaften miteinander. Häufig wurden sie auch gemeinschaftlich angepflanzt und genutzt. Der Begriff „Streuobstbau“ wurde in den 50er Jahren in Abgrenzung zu den danach auch in Deutschland zunehmend verbreiteten Niederstamm-Obstbau verwendet. Heute wird Streuobstbau als Hochstamm-Obstbau unter Verzicht von synthetischen Behandlungsmitteln verstanden. Der Streuobstanbau hatte eine große kulturelle, soziale, landschaftsprägende und ökologische Bedeutung. Er ist Zeuge historischer Landnutzungsformen. Heute gehören Streuobstwiesen zu den am stärksten gefährdeten Biotopen Mitteleuropas. Größere, landschaftsprägende Streuobstwiesen finden sich heute noch in Österreich, in der Schweiz, Süddeutschland und am Nordhang des Kyffhäusers in Thüringen. Vermutlich wurden in Mitteleuropa großfruchtige Rosengewächse wahrscheinlich schon in der Steinzeit genutzt, denn ihr Verbreitungsgebiet lag in der Nähe von menschlichen Siedlungen. Nicht heimische Pflaumen-, Apfel-, Birnensorten, Süßkirschen wie auch Edelkastanie oder Walnuss wurden wohl von den Römern nach Mitteleuropa gebracht. Jedoch konnten diese Sorten nur in klimatisch günstigen Gebieten wachsen. Seit dem 2. Jahrhundert etwa wird der Obstanbau im Gebiet der Mosel betrieben. Vorreiter in Mitteleuropa waren vor allem die Klöster des Mittelalters. Die für diese Kultur notwendigen Techniken wurden aus Böhmen, Tirol und Oberösterreich übernommen. So entstanden in der Umgebung der klösterlichen Anlagen die ersten größeren Obstwiesen. In den Gebieten, in denen der Boden nicht als Grünland sondern als Ackerfläche genutzt wird, haben sich Streuobstäcker als Sonderform entwickelt. Im deutschen Raum hat sich diese Kulturform besonders in Franken ausgebildet. Für die Versorgung der Bevölkerung begann der Obstanbau eine immer bedeutendere Rolle zu spielen. Durch eine voranschreitende Züchtung erlangte man eine Ausweitung des Obstanbaus in ganz Mitteleuropa. Politisch gefördert entwickelte sich im 17. bis zum 19. Jahrhundert eine zunehmende soziale und kulturelle Bedeutung. Hin zum 20. Jahrhundert entstanden bis zu 6000 Obstsorten (ca. 2700 Apfel-, 800 Birnen-, 400 Süßkirschensorten und 400 Pflaumenartige), die selbst in den Höhenlagen der Mittelgebirge den Obstanbau ermöglichten. Einige Sorten wurden für verschiedene Verwendungen regional spezialisiert. Wie eine Vielzahl von Quellen zeitgenössischer Autoren belegt, stellten die Streuobstwiesen eine Verbindung der einzelnen Dörfer dar. So wurden teilweise Alleen zwischen den Siedlungen mit Obstgehölzen besetzt, die dann in der Erntezeit gemeinsam aufgelesen wurden. So wurden sie für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbar und das Wissen, die Pflege und die Verarbeitung war ein fester Bestandteil der landwirtschaftlichen Lehre. 3. Vorkommen in ThüringenIn Thüringen gibt es heute etwa 8352 Streuobstwiesen auf einer Gesamtfläche von 10068 ha. Die durchschnittliche Fläche einer Streuobstwiese beträgt etwa 1,21 ha. Sie kommen in allen natürlichen Naturräumen in unterschiedlicher Menge und Verteilung vor. Mit zunehmender Höhenlage werden sie in den Mittelgebirgen selten und fallen in den Kamm- und Hochlagen ganz aus. Weiterhin selten sind sie in den Auen und Niederungen sowie in reliefarmen, ausgeräumten Bereichen des Ackerhügellandes. Ein Verbereitungsschwerpunkt stellen dagegen reicher strukturierte Hügellandbereiche dar. Die meisten Bestände gibt es hier in den Buntsandstein-Hügelländern. Aus dem Kyffhäuserkreis, Wartburgkreis und Saale-Holzlandkreis liegen die zahlreichsten Meldungen vor. 4. Besonders geschützte Biotope - §18 Thüringer NaturschutzgesetzIn Thüringen gehören sowohl umfriedete als auch nicht umfriedete Streuobstwiesen, auf denen in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang wenigstens 10 Obstbäume vorkommen zu den besonders geschützten Biotopen. Bei den Baumbeständen kann es sich auch teilweise um abgestorbene oder überalterte Bäume handeln. Nach §18 Thüringer Naturschutzgesetz sind diese besonders geschützten Biotope gesetzlich geschützt, ihre Veränderung und Zerstörung ist verboten. Sie gelten dann als besonders geschützt, wenn sie bestimmte Vegetations-, Struktur- und Standortmerkmale erfüllen. Nicht geschützt sind Obstbestände aus Nieder- und Mittelstämmen, Büschen und Spalierhölzern sowie von der Bebauung umschlossene Hochstammbestände. 5. Obstsorten der StreuobstwiesenÜberwiegend eignen sich für die Streuobstwiesen nur unveredelte und robuste Hochstamm-Sorten. Die Wildformen stellen zwar häufig hohe Ansprüche an Klima und Boden, doch wurden spezielle widerstandsfähige Sorten gezüchtet. So gibt es keine einheitliche Streuobstwiese, denn die Sortenvielfalt hat stets einen regionalen Bezug. So war die Verbreitung mancher Sorten auf wenige Dörfer beschränkt. Heutige im Intensivobstbau verwendete Kultursorten gehen weitgehend auf identische Elternsorten zurück. Heute noch in traditionellen Streuobstbau verwendete alte Arten und Sorten, wurden zu einer Zeit entwickelt, als Pflanzenschutzmittel nicht bzw. nur sehr eingeschränkt zur Verfügung standen und sind daher im Gegensatz zu heutigen Kultursorten besonders robust gegenüber Schaderregern und Krankheiten. Daher bilden alte Obstsorten der Streuobstwiesen, die sich über die Zeit regional entwickelt haben ein Genreservoir alter Regionalsorten. Von den 3000 mitteleuropäischen Apfelsorten sind jedoch nur ca. 60 Sorten im deutschen Handel erhältlich. 6. Funktionen / Ökologie der StreuobstwiesenIm Obstanbau finden sich zahlreiche Ausprägungen, die auch Funktionen des Landschaftsschutzes erfüllen. Die vor ca. 200 – 300 Jahren typischen Streuobstgürtel um die Siedlungen wirkten als Windschutz, die Umgebung wird vor Windschäden geschützt, starke Winde werden durch das Laub abgebremst und extreme Temperaturen werden abgeschwächt. Für das örtliche Klima wirken Streuobstwiesen ausgleichend, denn sie filtern Verunreinigungen aus der Luft. Des weiteren schützen sie Boden und Wasser, denn aufgrund ihrer dichten Bodendurchwurzelung mindern sie in Hanglagen die Bodenabtragung, wirken humusanreichernd, halten Wasser und Nährstoffe fest und wirken damit einer Gewässerüberdüngung entgegen. Damit ist eine nachhaltige Weidewirtschaft auf diesen Flächen durchführbar. Für zahlreiche Tierarten (insbesondere Insekten, Vögel, Säuger, bei Magerrasen als Unterwuchs auch für Pflanzen) stellen sie einen wertvollen Lebensraum dar. Dazu kommt ein gestalterischer Aspekt. Aufgrund der unterschiedlichen Blühfarben und Blühzeiten so wie der unterschiedlichen Wuchsformen der einzelnen Pflanzen sind sie eine ästhetische Bereicherung und ein charakteristisches Element Thüringer Landschaft mit hohem Erlebniswert. Die Baumdichte auf Streuobstwiesen beträgt in Abhängigkeit von den Obstarten 60 bis 120 Bäume pro Hektar. Auf Obstplantagen sind bis zu 3.000 Bäume pro Hektar üblich. Je nach Größe und Ausprägung sind sie von lokaler bis landesweiter Bedeutung und gelten als die vielfältigsten Ökosysteme in Europa. 7. Flora7.1. KrautschichtDie Krautschicht der Streuobstwiesen weist eine hohe Anzahl von blühenden Wiesenkräutern auf. Dabei ist die Zusammensetzung abhängig von der jeweiligen Nutzung und den Standortbedingungen. Besonders durch eine extensive Beweidung kann eine artenreiche Pflanzengesellschaft begünstigt werden. Einige Arten, die auf Streuobstwiesen wachsen, sind:
8. Fauna8.1. Streuobstwiesen: Rückzugsgebiete für seltene und bedrohte ArtenDie Artenvielfalt ist in den Streuobstwiesen reichhaltiger, da hier auf Insektizide und Herbizide verzichtet wird. Durch den weiten Stand der lichtenkronigen Bäume ist die Krautschicht reich besonnt und daher sehr vital. Im ganzen weisen Streuobstwiesen zwei Schichten auf. Die untere ist die Krautschicht, bestehend aus Kräutern, Gräsern und niedere Stauden. Die zweite Schicht ist die Kronenschicht der Obstbäume. In Streuobstwiesen leben viele Tierarten, die in der vielfach ausgeräumten Agrarlandschaft zum Teil keine entsprechenden Lebensbedingungen mehr finden. Insgesamt bieten sie Lebensraum für ca. 2000 bis 5000 Tierarten. Den größten Anteil stellen hierbei Käfer, Insekten, Bienen, Wespen und Hummeln dar. Dazu kommt eine große Anzahl von Tausendfüßern und Spinnentieren. Bedingt wird dies durch die Kombination der Lebensräume Grünland und offene Gehölze. Die naturverträgliche Nutzung, der lückenhafte Bewuchs und zahlreiche Sonderstrukturen ( Hecken, Trockenmauern, Totholzhaufen) erlauben Arten mit den unterschiedlichsten Lebensraumansprüchen eine Besiedlung. Hier treffen ausgesprochene Offenlandbewohner und waldgebundene Arten, Arten mit verschiedenen Feuchtigkeits- und Temperaturansprüchen und Besiedler der unterschiedlichsten Bereiche aufeinander. Die Strukturvielfalt macht Streuobstwiesen gleichsam als Dauer- oder Teillebensraum für ein breites Artenspektrum bedeutsam. Die Streuobstwiesen sind Rückzugsgebiete und damit Ersatzlebensraum für Tier- und Pflanzenarten der offenen Feldflur geworden und viele Nützlinge vernichten von den Streuobstwiesen aus die Schädlinge in den angrenzenden Feldern auf natürliche Weise. Hochstämmige Obstbäume sind für Höhlenbrüter von besonderer Bedeutung. Insbesondere in alten Apfelbäumen bilden sich auf natürliche Weise Höhlen, die Singvögeln, Eulen und Fledermäusen geeignete Brut- und Lebensräume bieten. Mit der rapiden Abnahme von Althölzern in Wäldern sind Streuobstwiesen mit Altbaumbeständen wichtige Refugien für Spechtarten (z.B. Mittelspecht, Grünspecht) geworden. Auch eine Reihe von Käfern, Wanzen, Ameisen oder Falterarten weisen in Streuobstwiesen ihre oft besten Bestände auf. Beispielsweise findet sich hier der Braune Feuerfalter und das Gemeine Grünwidderchen. In alten Nußbäumen siedeln gefährdete Arten wie die Stöpselkopfameise, die Schwarzglänzende Holzameise oder die Rotrückige Hausameise. 8.2. InsektenDurch die Überwinterung als komplettes Bienenvolk mit mehr als 10.000 Einzelbienen sind sie in der Lage, den größten Teil der Bestäubungsleistung zu erbringen. Daher spielen die Honigbienen für die Obstbaumbestäubung eine herausragende Rolle.
8.2.1. SpinnentiereWegen des in Streuobstwiesen günstigen Kleinklimas sind Spinnen sehr häufig zu finden. Beispiele sind:
In der Krautschicht finden sich:
Als Indikatorarten können folgende Arten gelten:
8.2.2. Amphibien und ReptilienStreuobstwiesen bilden wertvolle Sommer- und Überwinterungshabitate für verschiedene Amphibien- und Reptilienarten. Diese ergeben sich durch den kleinräumigen Wechsel aus (halb-)schattigen,trocknen und feuchten Stellen, Stauden- und Grasfluren, Gehölzen und Schnittgutlagerflächen. Je nach Region finden man:
Beispiele für Reptilien sind:
8.2.3. VögelBesonders alte Streuobstbestände bieten durch ihren Höhlen- und Totholzreichtum ideale Nistmöglichkeiten für die Avifauna (Vögel). Hinzu kommt eine reichhaltige Nahrungsgrundlage durch Spinnen und Insekten, die in Streuobstwiesen häufig zu finden sind. Wichtige Indikatorarten für die ökologische Wertigkeit sind der Steinkauz (Athene noctua) und der Wendehals (Jynx torquilla). Weitere Vogelarten sind:
8.2.4. SäugetiereGute Bedingungen und ein reichhaltiges Nahrungsangebot für die Brut und Aufzucht von Jungtieren bieten die Streuobstwiesen aufgrund von reichhaltiger Fauna und Flora. Mit Höhlen durchsetzte Altbäume geben vielfältige Nistmöglichkeiten.
9. Rückgang im 20. Jahrhundert9.1. Ursachen des Rückgangs9.1.1. Agrarpolitik, Land- und ForstwirtschaftEine Trendwende hin zur Obstplantage begann in den 1920er Jahren. Im Erwerbsbau sollte auf je drei Birnen- und Apfelsorten beschränkt werden. Durch das Prädikat “Reichsobstsorte“ sollten diese gefördert werden, doch der zweite Weltkrieg machte diese Pläne zunichte. Mit dem „Emser Beschluss“ des Bundesernährungsministeriums am 15.Oktober 1953 kam das Ende der westdeutschen Streuobstwiesen - für Hochstamm und Halbstämme sollte demnach kein Platz mehr sein, Straßenanbau, Steuobst und Mischkultur sind zu verwerfen. Die gesamte Europäische Gemeinschaft (EG) wurde von dem Trend zum Plantagenanbau erfasst. Durch Subventionen wurden Streuobstwiesen auf fruchtbaren Böden in Obstplantagen umgewandelt, denn die Europäische Union hat bis 1974 Rodungsprämien für jeden gefällten Hochstammobstbaum bezahlt. Daraus resultierte ein drastischer Rückgang der Streuobstflächen. Für Nachbarländer wie Schweiz und Österreich galt das gleiche. Langsamer vollzog sich der Wandel hingegen in der ehemaligen DDR. Zwar wurden durch das Zusammenlegen der Landwirtschaftsflächen zu LPGen die Streuobstbestände in Obstplantagen umgewandelt, kleiner, privatwirtschaftlich genutzte Streuobstwiesen blieben erhalten. Häufig erfolgte eine Unternutzung durch Weidevieh der Genossenschaften. Durch den negativen Randeinfluss der durch Großbetriebe bewirtschafteten Äcker sterben noch heute in den neuen Bundesländern vorhandene Streuobsrestbestände entlang der Strassen ab. Im Zuge der Flurbereinigungen wurden häufig Streuobstalleen an Wegen und Feldrändern gerodet. Zu einem ständigen Schädlingsdruck führt die Tatsache, dass Streuobstwiesen keine Mechanisierung und damit keinen intensiven Einsatz von Insektiziden zulassen. Damit ist ein erhöhter Arbeitseinatz bei der Ernte notwendig. Selbst wenn Landwirte biologischen Landbau betreiben, produzieren sie ihr Obst kaum auf Streuobstwiesen, da dies unrentabel ist. Durch die Abdrift sind biologische Pflanzenschutzmittel nur ineffizient anwendbar. Ein weiters Problem ist, das Hochstämme erst nach 10 bis 20 Jahren den vollen Ertrag bringen. Neugezüchtete Niederstamm-Sorten wie z.B. Golden Delicious, Gloster erreichen bereits nach drei bis fünf Jahren der Pflanzung den vollen Ertrag. Auf Grenzertragsstandorten wurden Streuobstwiesen häufig aufgegeben und als reines Grünland aufgeforstet oder genutzt. Bis heute gehen die Streuobstwiesen immer weiter zurück. Erst in den letzten Jahren begann ein Umdenken und es wird wieder vermehrt für die Streuobstwiesen geworben. 9.1.2. Bau- und SiedlungswesenDie Notwendigkeit der Ernährungssicherung durch Streuobst bestand nicht mehr, Ackerbau war einfacher und rentabler. Hinzu kam, dass sich die Ortschaften rasant ausdehnten und viele Flächen, darunter auch Streuobstwiesen, durch Siedlungen und Strassen in Anspruch genommen wurden. Der Raumordnungsgrundsatz, durch nachträgliche bauliche Verdichtung Fläche sparen zu wollen, führte und führt trotz naturschutzfachlicher Bedenken zu einer nachrangigen Einstufung der Streuobstbestände. Daher waren im Siedlungsgebiet befindliche Streuobstbestände den neu entstehenden Wohn- und Gewerbegebieten im Weg. Für die Entwicklung im Straßenbau galt ähnliches, denn schon im Rahmen von Uterhaltungsmaßnahmen wurden wurden etliche Streuobstbestände gerodet. 10. Streuobstwiesen heute10.1. Bedeutend für Tourismus, Ökologie und WirtschaftSeit 1980 verläuft der Rückgang der Streuobstbestände etwas langsamer, denn der hohe ökologische Wert der Streuobstwiesen steht wieder vermehrt im Mittelpunkt der Betrachtungen. Gebietsweise ist bereits wieder eine Zunahme von Streuobstbeständen zu verzeichnen. Von Landesregierungen, Kreisverwaltungen,Gemeinden und Kulturämtern gibt es aufgrund der hohen touristischen und ökologischen Bedeutung vielfältige Bemühungen, Hochstamm – Obstbäume zu erhalten und zu fördern bzw. wieder verstärkt in die Landschaft einzubringen. Streuobstbestände sind Rohstoffquelle für zahlreiche Nahrungs- und Genußmittel. Die Früchte bieten zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten, vom Frischverzehr über Eingemachtes oder Gedörrtes bis hin zu Saft oder Wein und Obstdestillate. Ursprünglich wurden Streuobstbestände zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs an Obst für die Selbstversorgung und den regionalen Markt angelegt. So kann da ganze Jahr über mit der Reifung der ersten Kirschen über diverse Pflaumenarten(Reineclauden, Mirabellen, Zwetschen) bis zu den letzten Äpfeln und Birnen des Jahres auf Obst zurückgegriffen werden. Daraus hat sich in Deutschland folgendes Verhältnis entwickelt: 50 % des Streuobstbaus dienen bis heute der Selbstversorgung, 20 – 25 % für Saft, nur noch 10 – 15 % als Quelle für Tafelobst und 5 % als Rohstofflieferant für Obstdestillate. Daher ist diese Obstkultur aufgrund seiner hochwertigen Qualität auch von wirtschaftlichem Interesse. Langfristig läßt sich der Streuobstanbau nur durch ökonomische Anreize erhalten. 10.2. Argumente für Erhalt, Pflege, Schutz und Entwicklung von StreuobstwiesenDie Erhaltung, Entwicklung und Förderung der Hochstammkultur ist ein Beitrag zur Sicherstellung dieses Lebensraumes, der durch eine Vielzahl verschiedener Tierarten besiedelt wird. Daher bilden sie ein Reservoir für die biologische Schädlingsbekämpfung. Sie bieten Brutplätze, Nahrungsflächen, Schutz für Zahlreiche Tierarten und sie stellen Verbindungen zu anderen Lebensräumen her. Als Bienenweide haben sie durch ihre Pflanzenvielfalt eine wesentliche Bedeutung. Darüber hinaus schützen sie den Boden vor Erosion, halten Wasser und Nährstoffe fest und wirken einer Gewässerüberdüngung entgegen. Aufgrund ihrer Vielfältgkeit sind Streuobstbestände eine ästhetische Bereicherung und ein charakteristisches Element Thüringer Landschaft mit einem hohem Erlebniswert für den Menschen. Auch spielen Streuobstwiesen mit ihrem Sortenreichtum im Hinblick auf die Sortenvielfalt als Genreservoir für Neuzüchtungen eine wesentliche Rolle. Die meisten der geschätzten 2.000 Apfelsorten in Deutschland haben jedoch im vorherrschenden Plantagenanbau keine Bedeutung. Durch den Schutz der Streuobstwiesen werden traditionelle Anbaugebiete und damit eine historische Kulturlandschaft erhalten. Für regionale Erzeuge bilden sie eine zusätzliche Einnahmequelle und geben Erträge sowohl für den Eigenverbrauch als auch für den regionalen Markt. Vereinzelt sind Streuobstbestände auch in Schutzgebieten enthalten. Wichtig ist jedoch der Pauschalschutz und die Erhaltung der verblieben Reste bei Flurerneuerungen und anderen Planungsvorhaben. Eine Erweiterung der Schutzes nach §18 ThürNatG auf Bestände mit Grabeland („Streuobstbestände“) ist empfehlenswert. Bei der Pflege von Streuobstwiesen sind naturschutzfachliche Aspekte (Totholz) zu berücksichtigen. Neupflanzungen von Hochstämmen möglichst alter Lokalsorten sind rechtzeitig vorzunehmen. 10.3. Marketing - Naturtrüber Apfelsaft hat die größte BedeutungAusnahmen und keine rentablen Bewirtschaftungsmodelle sind bis heute die vom BUND und NABU seit 1987 forcierte „Aufpreisvermarktung“, Direktvermarktung und die Kleinbrennerei. Mittlerweile werden in Deutschland etwa 8 Mio. Liter „echte“ Streuobstgetränke mit einem Marktwert von ca. 12 Mio € hergestellt, doch ist der wesentlich größere Anteil der Steuobstwiesen aufgrund mangelder Rentabilität und einseitiger Förderpoltik gefährdet. Bei den traditionellen Gaststätten mit Apfelweinausschank liegt eine Marktnische, denn dort greift man in der Regel nicht auf moderne Apfelsorten zurück, sondern auf die aus dem Streuobstanbau stammenden älteren säurehaltigen Sorten. Aus dem Bereich Natur- und Landschaftsschutz haben Initiativen sogenannte Aufpreisprojekte gestartet. Sie sollen dem Erzeuger einen höheren Preis für das Obst und damit einen Anreiz zur Erhaltung und Pflege ihrer Streuobstbestände bieten. Sie werde dann als Premiumprodukte unter einem Qualitätszeichen, das die Herkunft aus Streuobst garantiert zu einem etwas höheren Preis in den Handel gebracht. Diese Säfte aus Streuobst werden naturrein und naturtrüb belassen und direkt abgefüllt, also nicht aus Konzentraten hergestellt. Dabei durch laufen sie ein Kontrollverfahren vom Anbau bis zur Abfüllung. Somit ist ein sich ausdehnender Markt für Streuobstprodukte geschaffen worden. Auch mit Hilfe lokaler Fördervereine und umweltpädagogischen Veranstaltungen wird versucht, die Pflege und den Erhalt von Streuobstwiesen zu fördern. 11. Beispielliste für verwendbare ObstsortenMost-/Wirtschaftsäpfel:
Mostbirnen:
Brenn- und Saftkirschen:
Brennpflaumen:
Walnüsse:
12. Literaturverzeichnis
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Letzte Aktualisierung ( 02. 10. 2014 ) |