Settegast, Hans - Lehrer für Gartenbau und Landwirtschaft |
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Geschrieben von Detlef Tonn | |
13. 01. 2010 | |
Begründer der Höheren Gartenbauausbildung in Thüringen* 4.7.1852 Oszkarten (Ostpreußen)
Hans Ewald Settegast wurde 1852 als ältester Sohn eines Gutsbesitzers in Oszkarten/Oßkarten (Forsthaus), Kreis Heydekrug, Memelland in Ostpreußen (heute: Ožkarciai, Landkreis Šilute, Litauen) geboren.
Er hatte einen Bruder, Franz Eduard Carl, der am 09.12.1853 am gleichen Ort zur Welt kam und später Kaufmann wurde. Hans besuchte das Gymnasium in Memel (heute: Klaipeda, Litauen), studierte Landwirtschaft in Königsberg, Berlin und Tübingen und promovierte am 18. 7. 1878 an der Uni Tübingen zum Dr. phil. 1879 trat er seine erste Stelle als Lehrer an der landwirtschaftlichen Schule Brandis bei Leipzig an und wurde bereits im 2. Semester ihr Leiter! Bald darauf eröffnete er 1881 in Ronneburg eine private landwirtschaftliche Lehranstalt. Auf Veranlassung von Rudolf Zersch, der wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Landwirtschaft in Köstritz und Umgebung hatte, verlegte er diese Schule 1886 nach Köstritz, und begann ab 10. März 1886 mit dem ersten Semester, um als Lehrender neben jungen Landwirten wie bisher in Ronneburg hier auch Gärtner mit theoretischem Wissen zu ihren Fachgebieten auszurüsten. Damit begründete Settegast sein gleichnamiges Landwirtschaftsinstitut, und den ausgezeichneten Ruf, den dieses Einrichtung später weltweit genießen sollte. Die theoretische Ausbildung von Landwirten begann im hinteren Gebäude des damals Börnerschen Hauses, dem Palais, heute Sitz der Stadtverwaltung von Bad Köstritz. In Palais und umgebenden Gärten wirkte zuvor der berühmte Köstritzer Dahlienzüchter Christian Michael Deegen (28.01.1798 – 01.12.1888).
Settegast bemühte sich auch um die Organisation seiner Studenten. Aufgrund seiner Initiative wurde 1886 die burschenschaftliche Vereinigung der landwirtschaftlichen Schüler unter dem Namen "CERES" und 1889 die der gärtnerischen Schüler "PONOMA" gegründet.
Hans Settegast wurde am 5.5. 1892 in die Geraer Freimaurerloge "Archimedes zum ewigen Bunde" aufgenommen, welcher er bis zu deren Schließung im Jahre 1935 angehörte. 1895 gründete Dir. Dr. Settegast den ,,Garten- und Obstbauvereins für das Fürstentum Reuß j.L". mit Sitz in Köstritz.
1898 wurden erste Techniker-Kurse für die Gärtnerausbildung angeboten. Einer der bekanntesten Studierenden war der spätere Gartenbauinspektor Paul Wallbaum, der 1897/99 hier lernte, später als Dozent wirkte. 1901 erweiterte sich die Ausbildung von 2 Semestern auf 3 Semester für die Garten-Techniker-Prüfung.
In kürzester Zeit entwickelte sich das “Institut Settegast” ab 1904 bis um 1906 mit der Einführung eines 3. und 4. Studiensemesters und später sogar mit einem 5. zu einer “Höheren Lehranstalt”. Hans Settegast wurde damit in Köstritz zum Begründer der ersten Thüringer Höheren Lehranstalt für Gartenbau. Das Institut war fortan anderen Lehr- und Forschungsanstalten gleichgestellt. Paul Neidhardt (21.3.1873 – 26.2.1951), bedeutenden Geraer Maler, erhielt 1907 einen Lehrauftrag.
Prof. Dr. Settegast publizierte um 1910 ein “Illustriertes Handbuch des Gartenbaus” in dem er den an der Bildungseinrichtung in Köstritz vermittelten theoretischen Lehrstoff vorstellte. Eine 2. Auflage. erschien 1922-25. 1910 wurde die Lehranstalt für Gartenbau in Köstritz von der Reußischen Regierung zur ,,Höheren Gärtner-Lehranstalt" erhoben, die Prüfung als staatliches Abschlussexamen anerkannt. Die Technikerausbildung erweiterte sich auf 4 Semester. 1913 besuchten Studenten aus 33 deutschen Provinzen und 21 Staaten Europas, Amerikas und Asiens die Gärtner-Gehilfen-Abteilung bzw. das Gärtner-Technikum der ,,Höheren Gärtner-Lehranstalt“. Das grundlegend Neue an Settegasts Lehranstalten war, dass er Landwirte und Gärtner, die bereits mehrjährige praktische Erfahrung auf ihrem Gebiet hatten, zusätzlich mit wissenschaftlichen (theoretischen) Erkenntnissen ausrüstete, damit sie die optimalen Wachstumsbedingungen ihrer landwirtschaftlichen Produkte in der Natur besser verstehen und beeinflussen konnten. Settegast beklagte die allgemein vorhandene mangelnde Fachkenntnis und die Mißachtung des Zusammenwirkens von Theorie und Praxis für eine erfolgreiche Produktion durch die “Prinzipale” in der bisherigen Lehrausbildung auf Rittergütern, bei Großbauern oder auf dem väterlichen Hof, die nur der Praxis “Recht” gaben. Er war überzeugt, dass “andere Zeiten kommen”, die ein solch kombiniertes Wissen unabdingbar machen, um ökonomischer Landwirtschaftsprodukte erzeugen zu können. Dieser vorausschauende Weitblick sollte sich voll bewahrheiten.
An seiner Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Ronneburg und seinen Instituten in Köstritz wurden über 4.500 junge Gärtner und mehr als 3.000 junge Landwirte theoretisch und teils auch in der Praxis ausgebildet. Die große Zahl von Landwirten und Gärtnern mit der niedrigen und der höheren Semesterausbildung - aus einer Vielzahl unterschiedlicher Staaten kommend - trugen den geachteten und anerkannten Namen der Köstritzer Bildungseinrichtung und jenen der einstigen Gartenstadt Köstritz (ab 1926 Bad Köstritz) weit über Deutschlands Grenzen hinaus in die ganze Welt. Mit seinen Lehranstalten schuf Dr. Settegast wesentliche Voraussetzungen zur Entwicklung von Handwerk und Gewerbe in Köstritz. Einen Schwerpunkt bildete dabei das Pensions- und Gaststättenwesen. Die aus allen Himmelsrichtungen nach Köstritz kommenden Studenten trugen schon damals in ihren Heimatorten nicht unwesentlich für die Propagierung des süffigen Köstritzer Schwarzbieres bei. 1923 ging das gesamte privat geleitete ,,Institut Settegast" mit der ,,Höheren Gärtner-Lehranstalt" in Folge der negativen ökonomischen Auswirkungen des 1. Weltkrieges in den Besitz der Gemeinde Köstritz über. 1934 wurde die Lehranstalt neu profiliert und von der ,,Landbauernschaft Thüringens" übernommen. Damit wurde sie erstmalig staatliche Ausbildungsstätte. Hans Settegast starb am 4. Juli 1936, an seinem 84. Geburtstag. Er wurde unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Bad Köstritzer Friedhof beigesetzt. Es war nicht zu ermitteln, ob er verheiratet war oder Kinder hinterließ. Die Ausbildung musste in Bad Köstritz kriegsbedingt Ende der 30er Jahre geschlossen werden. 1942 erfolgte die Einstellung der Ausbildung, und Umwandlung in ein Reservelazarett. Das Lehrgebäude in Bad Köstritz wurde in den letzten Kriegsjahren von der Wehrmacht und später zeitweilig von der Roten Armee als Lazarett genutzt. Nach der Auslagerung 1943, der ,,Höhere Lehrgang" mit Gartenbauinspektor Wallbaum ging nach Posen, wird die Lehranstalt 1945 geschlossen. Nach Kriegsende 1945 wird die Ausbildung von Gärtnern in Bad Köstritz nicht wieder aufgenommen. Es bedeutet das Ende für die 1886 gegründete Lehranstalt. Die heutige Fachrichtung Gartenbau der Fachhochschule Erfurt, in der nach 1945 die Köstritzer Settegast´sche Lehranstalt aufgegangen ist, bewahrt von Prof. Dr. Settegast seit 1949 ein erst 2006 restauriertes Bildnis des Malers Alfred Hanf (1890-1974) und erinnert damit an den Begründer dieser gärtnerischen Lehranstalt. Das Tafelbild befindet sich im Konferenzraum der Fachhochschule für Gartenbau.
Die 1903/05 errichteten Baulichkeiten, existieren stark verändert noch heute und werden genutzt. Das einstige “Haushaltungs-Institut” (das spätere Internatsgebäude) diente zu Zeiten der DDR als Wohngebäude, als Schulhort, Kindergarten und Krippe. Seit 1998 wird es - modernisiert - als Haus des “Betreuten Wohnen” für ältere Bürger genutzt.
Das Settegast-Institutsgebäude wurde Zentralschule für die umliegenden Ortschaften, 1965/66 erweiternd umgebaut, später die Polytechnische Oberschule “Hans Beimler” und nach der Wiedervereinigung die Staatliche Regelschule Bad Köstritz / Kraftsdorf, die den Ehrentitel “Dr. Hans Settegast” erhielt. Ungeklärt bleiben muß, ob es verwandschaftliche Verbindungen gibt zu den ebenfalls aus Ostpreußen stammenden Agrarwissenschaftler Hermann Settegast (1819-1908), wie Hans aktiver Freimaurer, sowie dessen Neffen, Pflanzenbauwissenschaftler Henry Settegast (1853-1901 in Jena).
SchriftenSettegast, H. (Hrsg.), Othmer, B. und Schneider J.: Illustriertes Handbuch des Gartenbaues. Ein Hand-, Lehr- und Nachschlagebuch aus der Praxis für die Praxis. Herausgegeben von Dr. H. Settegast, Direktor der Gärtnerlehranstalt zu Köstritz unter Mitwirkung von B. Othmer, J. Schneider und anderen Fachleuten. Leipzig, Verlag von J.J.Arnd, o.J. (ca.1910), 1. Aufl. Anmerkung: StraßenbenennungenGera-Debschwitz: Prof.-Settegast-Weg QuellenBöhme, Bernd: “Institut Settegast” wurde vor 100 Jahren am 10. März feierlich eingeweiht. In: DER ELSTERTAL BOTE Amtsblatt, Nachrichten und Informationen für Bad Köstritz. Jahrgang 15, Nr. 02, Freitag, den 13.02.2004, S. 3 ds.: Prof. Dr. Hans Settegast - Begründer der ersten Thüringer Höheren Lehranstalt für Gartenbau in Köstritz - In: DER ELSTERTAL BOTE Amtsblatt, Nachrichten und Informationen für Bad Köstritz. Jahrgang 19, Nr. 02, Freitag, 15.02.2008, S. 11 Johannisloge "Heinrich zur Treue", Gera Höhere Gärtner-Lehranstalt Bad Köstritz i. Thür. [Erste "Höhere Gärtner-Lehranstalt" Thüringens, 1886 – 1945], Garten-Technikum, Obstbau- und Kultur-Technikum |
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Letzte Aktualisierung ( 02. 11. 2016 ) |
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