Rupp, Heinrich Bernhard - Botaniker |
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Geschrieben von Detlef Tonn | |
14. 11. 2016 | |
Wegbereiter einer umfassenden floristischen Erforschung Thüringens und bedeutsamer Vorläufer von LinnéIn ihren Werken untrennbar miteinander verbunden: die wegbereitenden Floristen des 18. Jahrhunderts in Thüringen H.B. Rupp & J.H. Tiemeroth d.J. (→ Beitrag) * 22. August 1688 in Gießen Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet Ruppius. "Epoche machte jedoch Ruppes Flora Jenensis, welche 1718 erschien; hiernach wurde der bis jetzt auf einen engen klösterlichen Garten eingeschränkten, bloß zu ärztlichem Zwecke dienenden Pflanzenbetrachtung die ganze reiche Gegend eröffnet und ein freies frohes Naturstudium eingeleitet." Johann Wolfgang Goethe
Thüringen fand zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf botanischem Gebiet einen glänzenden Vertreter in dem genialen Heinrich Bernhard Rupp (auch Ruppe, oder latinisiert Ruppius). Er vereinte in sich das Streben nach Kenntnis und Unterscheidung der Arten mit dem Bemühen um Kenntnis und Unterscheidung der Gattungen. Dadurch wurde er neben Johann Jacob Dillen (latin. Dillenius) (1684-1747) zu einem der bedeutsamsten Vorläufer von Carl von Linné (1707-1778) (Wein 1931: S. 13). „Die ausgezeichnete Beobachtungsgabe, die hervorragende Gründlichkeit und der kritische Blick“ (Wein 1931: S. 14) sowie ein unbändiger Forscherdrang zeichneten ihn aus. Rupp hat sich um die deutsche Flora sehr verdient gemacht; denn er hat nicht allein die Gegenden um seine Geburtsstadt Gießen, sondern insgesamt weite Teile Deutschlands, vom Niederrhein im W bis in die Lausitz im O, floristisch durchsucht. Er durchlief zuerst den ganzen Niederrhein. Der berühmten Schweizer Naturforscher und Dichter Albrecht von Haller (1708-1777) sagt (in praefat. Flor. Jenens. Jenae 1745.) von ihm ... Im Bergischen fand er das Lycopod. Sabinae facie; bei Düsseldorf und Kaiserswörth [Kaiserswerth zu Düsseldorf] die Parietaria diffusa M. et K.; im Klevischen bei Orsoy [Rheinberg] und der Schankenschanze [Schenkenschanz zu Kleve] die Menyanthes nymphoides … (Oligschläger 1833: S. 339). Rupp verfaßte eine Flora von Jena (Flora Jenensis...), in der wir den ersten Versuch vor uns haben, die Flora Thüringens landesweit zu erfassen (AHO 1997: S. 49). Er hatte sich bei seinen Beobachtungen nicht etwa nur auf Jena und seine heute immer noch reiche floristische Umgebung beschränkt, wie man aus dem Titel seines Werkes schließen könnte, sondern auf privaten Exkursionen weite Teile Thüringens bis ins Vorland des Harzes mit einbezogen (AHO 1997: S. 49). So nennt er bereits selbst in seinem Vorwort Orte, die er dabei berührt hat, Creuzburg, Eisenach, der Inselsberg, Gotha, Arnstadt, Erfurt, Rudolstadt, Schwarzburg, Saalfeld, Eisenberg, Gera, Weida, Querfurt, Wendelstein, Greußen, Langensalza, Sondershausen, der Kyffhäuser (Wein 1931: S. 13). Seine durch die Flora Jenensis dokumentierte Forschungsarbeit erstreckte sich dabei nicht nur auf die Phanerogamen (Blütenpflanzen), sondern auch im besonderen auf die Kryptogamen (Niedere Pflanzen wie etwa Algen, Moose, Flechten, Farnpflanzen und Pilze), die zu jener Zeit, Anfang des 18. Jahrhunderts, zumeist noch nicht im Blickfeld der Untersuchungen standen. Rupp vermittelte sein großes Wissen und die seine gewonnenen Erkenntnisse auch weiter. Sein in vieler Beziehung ähnlich gearteter Schüler und Freund Johann Christian Buxbaum (1693-1730), mit „Enumeratio plantarum accuratior in agro Hallensi locisque vicinis crescentium" (1721) der Verfasser einer Flora von Halle a.S., konnte jedoch nicht an die herausragende Befähigung seines Lehrers heranreichen (Wein 1931: S. 14). Rupps Geburtsstadt Gießen in Hessen mit seiner Universität entwickelte sich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für kurze Zeit zu einem botanischen Zentrum von europäischem Rang. Zwei weitere der bedeutendsten deutschen Forscherpersönlichkeiten der Zeit sind hier als Zeitgenossen von Rupp tätig gewesen:
Alle drei brachten fast zu gleicher Zeit ihre bemerkenswerten und hervorragenden Arbeiten im Druck heraus: Rupp seine „Flora Jenensis“ 1718 (allerdings von anderer Hand, dazu später) und Dillen eine Flora von Gießen 1719, in der er bereits an mehreren Stellen auf die Flora des Freundes aktuell Bezug nimmt. Beide ähnlich umfassenden Florenwerke, die sich in ihrer Anlage, wie etwa der Berücksichtigung der Kryptogamen, ähnlich sind, bedeuteten gleichsam zukunftsweisende Meilensteine in der neuzeitlichen floristischen Erforschung Deutschlands. Rupp hatte 1704 in seiner Heimatstadt ein Medizinstudium aufgenommen, wobei er bereits Dillen kennenlernte und sich mit ihm anfreundete. Er verließ Gießen und setzte sein Studium der Medizin und Botanik fort u.a. in Leipzig, Halle-Wittenberg, ab 1711 an der Universität Jena, ab 1712 in Leiden. 1713 kam er erneut nach Jena, um dort eine akademische Laufbahn anzustreben. In diesem Zusammenhang entstand der Plan zu seine „Flora Jenensis“. Da er aber an der Universität nicht angestellt wurde, geriet er in immer größere Not und verkaufte deshalb 1717 das Manuskript mit seinen Bemerkungen und alle Materialien, die er über die Jenaer Flora gesammelt hatte (Dietrich 1821: S. 328-30), an den befreundeten Medizinstudenten Johann Heinrich Schütte, der deutsche Pflanzennamen beifügte und die Flora inzwischen aber gegen den Willen Rupps, vermutlich wegen dessen Absicht einer Verbesserung und Erweiterung, 1718 in der Erstausgabe drucken ließ. (AHO 1997: S. 49) Ein Vorstellung von den dramatischen Lebensumständen Rupps, die aus heutiger Sicht unfassbar erscheinen, gibt Graumüller 1815 in der Vorrede (S. IXf.) zu seiner Flora von Jena, die der Hallerschen unmittelbar folgte: " … Zu des ältern Zeiten lebte auch in Jena ein alter [?, Rupp starb mit 30!], armer, aber verdienstvoller Candidat der Medicin, Heinrich Bernhard Rupp, aus Gießen, ohne Aufsehen, der in seiner Stille und gleichsam Verachtung, zu seiner Zeit außerordentlich viel geleistet hat. Er trieb das Studium der Botanik mit dem größten Eifer, war ganz zum Botaniker gebohren, und durch ihn erhielt gewiß damals die ganze Kräuterkunde ein neues Leben. Alle Winkel unserer Gegend sind von ihm durchsucht worden; desgleichen Thüringen, Sachsen, Meißen, die Lausitz, ein Theil von Hessen, die Wetterau, Rheinufer etc. Wo er am Abend hinkam, es mochte eine Wiese, ein Wald etc. seyn, da blieb er des Nachts hindurch unterm freyen Himmel, aß ein Stück trocknes Brod, trank Wasser dazu, und am Morgen, öfters vom Regen und Thau durchnäßt, setzte er seine botanischen Exkursionen weiter fort. Die Belohnung seines außerordentlichen Fleißes war: daß er in den dürftigsten Umständen starb! Sein Andenken findet man hier noch an jeder Mauer, an der Stadtkirche, an vielen Häusern etc. Er hat nemlich das Antirrhinum Cymbalaria L., das Cympelkraut, dessen Vaterland Italien etc. ist, hier zuerst angepflanzt und einheimisch gemacht, das sich von der Zeit an in ungeheurer Menge ausgebreitet hat. So oft ich diese Pflanze sehe, erinnere ich mich an diesen eifrigen Botaniker, und es ist zu bewundern, daß er bey seiner Armuth so viel für die Kräuterkunde hat leisten können. Ein Beweis, was er in botanischer Hinsicht, für unsere Gegend gethan, ist seine für die damalige Zeit sehr schätzbare Flora: H. B. Ruppi Flora Jenensis … " So können wir Rupps „Flora Jenensis“ zwar nicht im Sinne einer Vollständigkeit, aber schon in ihrer Anlage mit landesweit verstreuten Befunden, mit einiger Berechtigung als einen wirklichen Vorläufer einer Flora von Thüringen im neuzeitlichen Sinne ansprechen, und Rupp selbst damit als einen wegbereitenden Pionier unter Thüringens Floristen würdigen. Sein innewohnender unbedingter Forscherdrang, der ihn immer weiter vorantrieb, war stärker als das Hindernis völlig unzulänglicher materieller Voraussetzungen. Vieles konnte er nur unter größten Entbehrungen in die Tat umsetzen. Wohl mangelte es ihm auch an einer wirklichen Unterstützung seines Vorhabens, die er selbst in Jena zu finden nicht in der Lage war, obgleich die Universitätsstadt an der Saale zu jener Zeit das mit Abstand führende Wissenschaftszentrum in Thüringen darstellte, hinter dem Erfurt noch lange zurückblieb. Rupp geriet immer tiefer in einen Strudel aus Notlage und Konflikten, die auch zunehmend seine Gesundheit angriffen, was in tragischer Weise auch zu seinem frühen Tod geführt haben mag. So bleibt zu beklagen, was Rupp seiner außerordentlichen Begabung entsprechend, noch zu leisten imstande gewesen wäre (Wein 1931: S. 14). Er hätte ein ganz großer unter den deutschen Floristen werden können. Der Botaniker Heinrich Bernhard Rupp war ein außergewöhnlicher Forschergeist seiner Zeit, hochbegabt, genial, immer fort suchend, der aber tragisch an seinen Lebensumständen scheiterte. Seinen Ruhm konnte er nicht mehr selbst erleben, höchstens erahnen. „Ohne ein Amt anzunehmen, brachte er sein Leben in Niedrigkeit und Armuth hin.“ (Sprengel 1818, S. 212)
Dem Andenken des Heinrich Bernhard Rupp gewidmet, hat Linné den wissenschaftlichen Namen Ruppia für die Gattung der Salden eingeführt. Werke / VeröffentlichungenSchuette, Johann Heinrich (Hg. & Bearb.): Henr. Bernh. Ruppii Flora Jenensis sive enumeratio plantarum, tam sponte circa Jenam, & in locis vicinis nascentium, quam in hortis obviarum, methodo conveniente in classes distributa, figurisque rariorum æneis ornata: in usum botanophilorum Jenensium edita a Jo. Henr. Schutteo, med.c.susato-guestphalo. cui accedit supplementum. Francofurti & Lipsiae, apud Ernestum Claud. Bailliar. 1718. Erstaufl. mit einer Tabelle und 3 Kupfern (2 Taf.), 360 S., Supplementum Flor Jenensis S. 361, Index Alphabeticus latinus. ab S. 376 (61 S.), Register Der Teutschen Nahmen [Schütte] (10 S.), Index IV. Plantarum florendi tempua docens. [Monatlicher Blütenzeiten-Kalender] (21 S., insg. 91 S. Index) Frölich (Hg.): Henr. Bernh. Ruppii Flora Jenensis sive enumeratio plantarum, tam sponte circa Jenam, et in locis vicinis nascentium, quam in hortis obviarum, methodo conveniente in classes distributa, figurisque rariorum aeneis ornata: in usum botanophilorum Jenensium edita multisque in locis correcta et aucta. Francofurti & Lipsiae, apud Ernestum Claud. Bailliar, MDCCXXVI [1726]. 2. Aufl. mit einer Tabelle und 3 Kupfern (Taf.), 311 S., Nominum botanicorum abbreviatorum brevis explicatio. [Abk. der Quellen im Text] (5 S.), Index alphabeticus latinus (86 S.), Register der Teutschen Nahmen [Schütte, erweitert] (19 S.), Index Plantarum florendi tempua docens. [Monatlicher Blütenzeiten-Kalender], Errata [mit auf letzter S.] (15 S., insg. 91 S. Index)
Haller, Albrecht (Hg. & Bearb.): Alberti Haller […] Flora Jenensis Henrici Bernhardi Ruppii, ex posthumis auctoris schedis et propriis observationibus aucta et emendata accesserunt plantarum rariorum novae icones. - Jenae Sumptibus Christ. Henr. Cunonis 1745. 3. stark erweiterte u. verbesserte Aufl. mit einer Tabelle und 6 Kupfern (Taf.), 411 S. [mit 5 S. Addenda], Nominum botanicorum abbreviatorum brevis explicatio. [Abk. der Quellen im Text] (ab S. 411, 6 S.), Index [alphabeticus latinus] (22 S.), Erratis (1 S., insg. 29 S. Index) Ehrentaxon
QuellenArbeitskreis Heimische Orchideen Thüringens e.V. (AHO): Orchideen in Thüringen. 1997, 256 S.
Anhang Tafeln
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Letzte Aktualisierung ( 29. 11. 2016 ) |
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