Seidler, Louise – Malerin, Zeichnerin, Kopistin, zu ihrem 150. Todestag |
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Geschrieben von Detlef Tonn | |
22. 02. 2017 | |
Die Nazarenin war erfolgreichste thüringische Malerin des 19. Jahrhunderts und erste deutsche Hofmalerin sowie Kustodin„Das Streben in der Kunst war mein eigentliches Leben“ Louise Seidler, Erinnerungen * 15. Mai 1786 Jena
Caroline Louise Seidler entstammt einer in höfischen Diensten stehenden Familie. Der Großvater war sachsen-weimarischer Oberkonsistorialrat. Damit ergaben sich für Louise bereits günstige Voraussetzungen für den Zugang zu einem für ihre spätere Karriere förderlichen Personenkreis. Ab 1800 absolvierte Louise in Gotha eine dreijährige Ausbildung als Erzieherin in dem renommierten Institut der Doktorin Stieler, der Gattin des berühmten Kartographen Adolf Stieler (1775-1836). Nebenbei bekam sie in Privatlektionen durch den nach elfjährigem Aufenthalt in Rom nach Gotha zurückgekehrten bedeutenden Bildhauer Friedrich Wilhelm Eugen Döll (1750-1816) unentgeltlich weiteren Mal- und Zeichenunterricht. Er entfachte in ihr „die große Liebe zur Kunst“, die der Ausübung des erlernten Berufs nach der Rückkehr nach Jena entgegen stand. Die Seidlerin gehörte jenem Künstlerkreis an, mit dem der überaus exentrische Herzog August in Briefkontakt stand. In ihrer Vaterstadt zog es sie in das Haus des Buchhändlers Frommann, wo sich zur Teestunde ein illustrer Kreis von Intellektuellen, jenaischen Professoren, Künstlern und Dichtern traf, wie die Dichter Jean Paul (1763-1825) und Ludwig Tieck (1773-1853), Goethes „Urfreund“ Karl Ludwig von Knebel (1744-1834) und Goethe selbst, der seit 1798 oft Gast war und sich 1823 zu Eckermann äußerte „was in Deutschland Namen hat, hat dort gerne verkehrt.“ Um sich von tiefer Trauer frei zu machen und Abstand zu gewinnen, machte sich Louise auf die Reise in die europäische Kunstmetropole Dresden mit seiner bereits damals über Landesgrenzen hinweg berühmten Gemäldegalerie. Sie war für jeden angehenden Kunstmaler jener Zeit in Mitteldeutschland der wichtigste Ort, um die großen Meister und Vorbilder am Original studieren und kopieren zu können. Auch Louise wird von Elbflorenz magisch angezogen worden sein. Und sie wurde von dem was sie sah auch nicht enttäuscht. Die ausgestellten Werke beflügelten sie zu neuer Tatkraft, sich hier der weiteren Vervollkommnung ihrer Malerei konsequent zu widmen. Auch in Dresden öffneten sich durch Empfehlungen einige Türen, die der jungen Frau ansonsten sicherlich verschlossen geblieben wären. Zwar fand sie als Frau keinen Zugang zur Dresdner Kunstakademie, aber eine kostenfreie Unterweisung im Malen und Zeichnen durch den dortigen Professor Christian Leberecht Vogel (1759-1816). Sie lernte auch den vielleicht bedeutendsten Maler der deutschen Romantik, Caspar David Friedrich (1774-1840) sowie den auch in Thüringen tätigen Anton Graff (1736-1813) und den mit Louise fast gleichaltrigen Georg Friedrich Kersting (1785-1847) kennen. Kersting porträtierte Louise Seidler in seinem Bild „Mädchen am Stickrahmen“ auf indirekte, aber sehr reizvolle Weise. Louise wird bei der Handarbeit am offenen Fenster sitzend, von der Seite gezeigt, ihr Gesicht spiegelt sich im Glas des geöffneten Fensters. Das Bild, von dem es noch weitere Fassungen gibt, fand schon damals Anklang und kam nach Weimar, wo es noch heute im Schlossmuseum zu bewundern ist (Stadtschloss Weimar, Rundgang Faltblatt: Erstes Obergeschoss [Ebene 1], Raum 4, Audioguide 508). Auch traf sie in Dresden auf Goethe, der bekanntlich fast überall war und der sie in sein Weimarer Haus am Frauenplan einlud, ihn zu porträtieren. „zarte liebe Künstlerinn“ Joh. Wolfgang v. Goethe über L. Seidler, Brief an Sulpiz Boisserée vom 24. Juni 1816 Aus dem Dresden-Besuch wurden fünf Jahre Studienaufenthalte, in denen Louise in den wärmeren Jahreszeiten dort ihrer Malerausbildung widmete. Im Porträt erhielt sie gemeinsam mit der fünf Jahre älteren Caroline Bardua (1781-1864), die sich einige Jahre in Weimar aufgehalten hatte und Porträts schuf, Unterricht von dem ausgewiesenen Porträtmaler Gerhard von Kügelgen (1772-1820). Beide Frauen, Bardua und Seidler verbanden gleiche Lebensentwürfe einer selbständigen Künstlerin, nur dass die Bardua darin schon etwas voraus ging und weiter war. Jede hatte eine Schwester namens Wilhelmine. Zwischen beiden Künstlerinnen bestand ein lebenslanger Briefwechsel. Mit dem Tod der Mutter im September 1814 endete die Dresdner Studienzeit. Louise kehrte in ihr Vaterhaus zurück und führte fortan den Haushalt. Aber bald eröffnete sich durch ein Stipendium des Großherzogs Carl August die Perspektive eines Kunststudiums in der anderen bedeutenden deutschen Kunstmetropole München. Im Sommer 1817 konnte sie endlich die Bürde in Jena abstreifen und mit einer Empfehlung Goethes befreit zu einem einjährigen Studium gen München aufbrechen. An der dortigen Akademie der Künste, der einzigen in Deutschland, die überhaupt Frauen zum Studium zuließ, fand Louise Aufnahme in der 1. Klasse unter Direktor und Maler Joh. Peter von Langer (1756-1824). Die Bekannte Henriette Herz schwärmte Louise von „Rom – sehen und sterben“ vor, der Italiensehnsucht schlechthin. Das ließ Louise nicht mehr los und sie erreichte weitere zwei Stipendien des Großherzogs, die den Weg in den arkadischen Süden freimachen sollten. 1818 ging sie gemeinsam mit dem später eng befreundeten Zürcher Maler Joh. Caspar Schinz (1798-1832) auf die Reise nach Rom. Es werden wiederum fünf Jahre intensiver künstlerischer Arbeit, ihre glücklichste Schaffenszeit, die Louise Seidler in Rom in der Künstlergruppe der Nazarener zubringt. Die künstlerische Ausrichtung der Gruppe kommt ihrer eigenen Auffassung entgegen und wird zum prägenden Stil in ihrem gesamten weiteren Schaffen. Seidler besucht auch Neapel und die Wiege der Renaissance Florenz, wo sie in den Uffizien Meisterwerke als Dank für ihren Förderer Großherzog Carl August kopiert. 1823 muss Louise von Rom lassen und zum schwer erkrankten Vater nach Jena zurückkehren. Bald darauf, im Januar 1824 starb er. Louise verließ Jena und wandte sich Weimar zu. Goethe verschaffte ihr 1824 eine prominente Tätigkeit mit dem Zeichenunterricht der beiden Töchter Maria Pawlownas. Mit Augusta (1811-90), der späteren Kaisergemahlin, stand Louise bis zu ihrem Lebensende in Verbindung. Augusta besuchte die Malerin in Weimar noch in deren letzten Lebensjahr. In Weimar bezog Louise freie Künstlerwohnung und Atelier im Jägerhaus in der Marienstraße. Nachbar und neuer Inspirator war der Maler Friedrich Preller d.Ä. (1804-78). Eine umfängliche Schülerschaft wurde im Laufe der Jahre durch die Seidlerin in der Freyen Zeichenschule ausgebildet. Noch im gleichen Jahr 1824 erhielt sie die Aufsicht und Verwaltung der öffentlichen Großherzoglichen Gemäldegalerie übertragen, wurde zur Kustodin berufen. Sie war die erste Frau in diesem Amt, das ihr 100 Taler p.a. eintrug. Zehn Jahre später musste Louise Seidler auch Rückschläge verkraften, was ihre Positionen betraf. Und ein Goethe, der sie davor bewahren könnte, lebte nicht mehr. 1835 erhält sie dennoch den Titel der Großherzoglich Sächsischen Hofmalerin verliehen. Fortschreitende Alterserblindung bedeutete den schweren Verzicht aufs Malen und den damit einhergehenden schleichenden Rückzug aus dem öffentlichen Leben. Eine späte Reise in die Schweiz nahm Seidler noch drei Jahre vor ihrem Tod auf sich, um eine mögliche Augenoperation in Erwägung zu ziehen, zu der sie sich aber nicht mehr entschließen konnte. Es blieb ihr nur noch, die Lebenserinnerungen der besten Jahre mit dem abschließenden Rom-Aufenthalt zu diktieren und der Nachwelt zu überliefern. Für viele junge aufstrebende Künstlerinnen war die Seidlerin Vorbild und Ratgeberin. Talentiert, umfassend gebildet in Literatur, Musik und den Künsten, weitreichend privilegiert, gefördert und vernetzt, integrierter Teil intellektueller Kreise, als Malerin durchgesetzt, anerkannt und geschätzt. Sie führte eine beeindruckend umfangreiche Korrespondenz „mit weit über 200 Personen aus Kunst, Literatur und Wissenschaft, auch des Weimarer und Gothaer Hofes“ (Marwinski 2006). Werke / VerbleibNach Kaufmann sind mehr als 1.000 Zeichnungen, Pastelle, Ölgemälde sowie einige wenige Lithographien nachweisbar!
AusstellungenZu Lebzeiten Beteiligung an Kunstausstellungen in Weimar, Dresden, Berlin, Rom, Bremen, Hannover und Nürnberg.
Ehrungen1843 Zivil-Verdienstmedaille des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach für Kunst und Wissenschaft in Gold. StraßenbenennungenDresden-Leubnitz-Neuostra: Louise-Seidler-Straße QuellenKaufmann, Sylke (Hg.): Goethes Malerin | Die Erinnerungen der Louise Seidler. Berlin 2003, 491 S. |
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Letzte Aktualisierung ( 03. 03. 2017 ) |
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