Kleine alte Alleen in Erfurt |
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Geschrieben von Detlef Tonn | |||||||||||||
16. 01. 2020 | |||||||||||||
Seite 10 von 14 Molsdorf, Palmberg
Der Palmberg ist eine kleine Anhöhe (253 m) w Molsdorf, nahe der A71. Mit ihm verbindet sich eine tragische Geschichte aus der Barockzeit, als die Allee wohl bereits bestand, die den Reichsgrafen von Gotter von einer anderen, als die sonst über ihn vermittelte schillernde und aufgeklärte, Seite zeigt. Er trieb ein rücksichtloses, menschenverachtendes Spiel (siehe dazu den Auszug aus Storch 1859, weiter unten). Der Fahrweg 'Palmberg' stellte früher eine wichtige örtliche Straße dar. Am n Eingang der Allee, einige Meter oberhalb der Einmündung nahe dem Gasthaus, wurde am 22. Mai 2013 anlässlich des Internationalen Tages der biologischen Vielfalt eine Infotafel zur Artenvielfalt in der alten Allee eingeweiht. Dazu heißt es in einem Artikel der Thüringer Allgemeine vom 18.05.2013: „Wer kennt es nicht? Ein stattlicher Baum muss aus dem vertrauten Anblick weichen, da die Sicherheit für die Bürger nicht mehr gewährleistet werden kann. Und das hat oberste Priorität! Doch sind im Einzelfall alle Möglichkeiten zur Rettung des Baumes ausgeschöpft? Das Umwelt- und Naturschutzamt will mit der Tafel über ein Projekt informieren und zeigen, dass sowohl der Schutz des Menschen vor herab fallenden Ästen als auch der Schutz wertvoller Lebensräume gemeinsam funktionieren können. Als eine Art Modellprojekt werden an dem Feldweg die Verkehrssicherung einerseits und die Erhaltung von wertvollen Arten sowie der Naturschutz andererseits beachtet. Durch die Erhaltung der alten Bäume werden der Lebensraum sehr seltener Käferarten sowie das Jagdrevier von Fledermäusen und Vögeln geschützt. Einige der alten Kastanien und Linden - die wohl noch aus Graf Gotters Zeiten stammen - sollten ursprünglich zur Verkehrssicherung des Feldweges im Jahr 2010 gefällt werden. Aufmerksame Bürger von Molsdorf machten jedoch auf die Bedeutung der Bäume als Lebensraum für seltene, geschützte und gefährdete Tier aufmerksam. Es wurde der Kompromiss gefunden, die zu fällenden Bäume lediglich verkehrssicher einzukürzen und weiter zu erhalten. So musste lediglich ein einziger Baum aus Sicherheitsgründen - er war vom Brandkrustenpilz befallen - gefällt werden.“ Auf der Infotafel wird auf den Erhalt und Schutz der Allee eingegangen: „Als Zeugnisse der Molsdorfer Vergangenheit dienen die heute als Allee wachsenden Kastanien und Linden auf Grund ihres Alters und ihres Strukturreichtums auch vielen Tieren als Lebensraum. Hierzu zählen vor allem Vögel, Fledermäuse und Insekten. Die Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt veranlasste den Erfurter Stadtrat, einen diesbezüglichen Umsetzungsplan für die thüringische Landeshauptstadt zu beschließen. Die Baumallee wird seit 2010 regelmäßig sowohl hinsichtlich der vorkommenden Arten als auch der Verkehrssicherheit kontrolliert. Die alten Bäume sollen so lange wie möglich erhalten bleiben. Weiterhin werden auf der Infotafel Angaben zur Artenvielfalt gemacht (bezogen auf 2013): VögelDas Angebot an Insektennahrung sowie die Möglichkeit der Besiedlung von Baumhöhlen ist auch für Vögel attraktiv. Regelmäßig können beispielsweise Gartenrotschwanz und Feldsperling beobachtet werden. FledermäuseBislang wurden mindestens sechs verschiedene Fledermausarten im Umfeld der Baumallee auf der Jagd nach Insekten beobachtet. InsektenAls Urwaldrelikt besitzt das Vorkommen der Schwarzkäfer-Art Mycetochara flavipes einen besonderen Stellenwert. Der Käfer ist an alte Bäume gebunden und zeigt gleichzeitig die lange Tradition derartiger Bestände um Molsdorf an. Wie dieser ist auch der eigentümliche Große Wespenbock, der auf den ersten Blick eher einer Schlupfwespe als einem Käfer gleicht, in Thüringen unmittelbar vom Aussterben bedroht. Am s Ende der Allee, am n Beginn der Bebauung laden zwei Bänke zum entspannen und beobachten ein. Überlieferung einer Wettedes Grafen Gotter, die am Palmberg ein Menschenleben kostete: „Das Leben, welches Gotter in Molsdorf führte, namentlich in der letzten Periode als Graf, war nichts weniger als einfach idyllisch und frugal. Vielmehr haben sich von der schwelgerischen Ueppigkeit desselben, von den glänzenden Festen, die er dem Hofe und dem benachbarten Adel gab, manche Anekdoten erhalten, die wenigstens in meiner Jugend noch vielfach erzählt wurden. Er hatte sich in dieser ländlichen Zurückgezogenheit mit einem wahrhaft fürstlichen Hofstaate umgeben, bei dem auch die üblichen Laufer nicht fehlen durften. Ja, er that sich sogar etwas darauf zu gut, ein wahres Prachtexemplar, einen sogenannten Parforcelaufer zu besitzen, der, wie man behauptete, aus Molsdorf selbst gebürtig war, Namens Heinhold. Zufolge einer Wette des Grafen mit einem anderen Standesherrn mußte dieser Mensch von hier bis nach dem ungefähr fünfzig Stunden weiten Hannover und zurück in sechsunddreißig Stunden laufen. Der Läufer vollendete diese Reise wirklich in noch kürzerer Frist, erlag jedoch der übermäßigen Anstrengung dicht vor Molsdorf auf dem sogenannten Palmberge, wo ein Blutsturz seinen raschen Tod herbeiführte. Was that’s? Der Herr Graf hatte die Wette gewonnen. Mich dünkt, dieser eine Zug verbreitet über den Charakter des Mannes hinlänglich Licht. Unmittelbar neben der der Herzogin dargebrachten raffinirten Huldigung und den schwelgerischen Festen der todtgehetzte Laufer!“ Auszug aus Storch , Ludwig: Ein Parvenu des vorigen Jahrhunderts. In: Stolle, Ferdinand (Hg.): Die Gartenlaube, Heft 7, 8, S. 93–97, 112–115. Leipzig, Verlag von Ernst Keil 1859. Landesamt für Vermessung und Geoinformation: Graf von Gotter‘s „Erdenwinkel“ | eine geodätische Spurensuche in Molsdorf und Umgebung. |
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Letzte Aktualisierung ( 26. 02. 2020 ) |
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