Trommsdorff, Johann Bartholomäus - Apotheker, Botaniker |
![]() |
![]() |
![]() |
Geschrieben von Martin Schoder | |
25. 09. 2006 | |
Begründer der wissenschaftlichen Pharmazie* 8. Mai 1770 Erfurt Er war der Sohn des Arztes und Medizinprofessors Wilhelm Bernhard Trommsdorff. Besuchte zunächst die Kaufmännerschule und später das Evangelische Ratsgymnasium in Erfurt. Sieben Jahre war er alt, als er seine erste Untersuchung einer chemischen Frage veröffentlichte. Nach dem frühen Tod seines Vaters war es der Mutter nicht mehr möglich, dem Heranwachsenden eine höhere Schulbildung zu finanzieren. Der 13-jährige Trommsdorff musste deshalb das Gymnasium verlassen. Zunächst half er in der väterlichen Apotheke aus, bis er im darauf folgenden Jahr eine Apothekerlehre in der Weimarer Hofapotheke bei dem einflussreichen Wilhelm Heinrich Sebastian Bucholz begann. In seiner Weimarer Lehrzeit entstand 1787 Trommsdorffs erste wissenschaftliche Arbeit: "Chemische Untersuchung des sauren Salzes der rothen Beeren des Sumach oder Gerberbaums (Rhus coriaria Linn)". 1787 kehrte Trommsdorff nach Erfurt zurück. Durch die Heirat seiner Mutter mit dem an der Erfurter Universität tätigen Professor für Medizin, Chemie und Botanik Jacob Planer hatte sich vorübergehend die finanzielle Situation der Familie verbessert. Trommsdorff konnte nun seinen privaten Studien nachgehen und auf einer längeren Wanderschaft, die ihn nach Stettin und Stargard führte, seine Kenntnisse erweitern. Als im Dezember 1789 sein Stiefvater verstarb, kehrte Trommsdorff sofort nach Erfurt zurück. Er übernahm die väterliche Apotheke voerst zur Pacht. 1792 wurde der nun 22-jährige Mitglied der "Churfürstlichen Mayntzischen Akademie nützlicher Wissenschaften" zu Erfurt. Wenig später gab Trommsdorff mit dem "Journal der Pharmacie für Aerzte Apotheker" die erste regelmäßig erscheinende pharmazeutische Fachzeitschrift heraus, die sich zu einem Diskussionsforum der Naturforscher Europas entwickelte. Im Januar 1794 bewarb sich Trommsdorff an der Medizinischen Fakultät der Erfurter Universität um die Professur für Chemie. Dazu war aber unbedingt die Promotion erforderlich, eine Hürde, die der Autodidakt im September 1794 erfolgreich meisterte. Die Ernennung zum unbesoldeten, außerordentlichen Professor für Chemie erfogte zu Beginn des nächsten Jahres. 1811 erhielt er die Berufung zum ordentlichen Professor für Chemie. Trommsdorff war ein vielseitig engagierter Lehrer, Forscher und Praktiker, der fest im öffentlichen Leben stand. Zwischen 1795 und 1816 hielt er an der Universität Erfurt Vorlesungen über Pharmazeutische Chemie, Chemische Mineralogie, Chemische Philosophie, Geschichte der Chemie, Rezeptierkunst und Allgemeine Chemie. 25-jährig begründete er in der Erfurter Schwan-Ring-Apotheke seine berühmte "Chemisch-physikalisch-pharmaceutische Pensionsanstalt für Jünglinge". Sie gilt als das erste pharmazeutisch-chemische Institut in Deutschland. Trommsdorff unterrichtete seine Schüler nicht nur in Chemie und Pharmazie, sondern auch in Botanik, Zoologie, Mineralogie, Mathematik und Naturlehre. Dabei strebte er stets eine gesunde Mischung von Theorie und praktischer Anwendung an. Als er 1828 sein Institut aus gesundheitlichen Gründen schließen musste, hatten es 303 Schüler, 24 davon aus dem Ausland, erfolgreich absolviert. Bedeutende Wissenschaftler sind aus diesem Institut hervorgegangen. Trommsdorff war aber nicht nur auf wissenschaftlichen Gebiet aktiv. Er setzte sich zum Beispiel für eine durchgreifende Reform des Apothekenwesens ein und entwickelte dazu ein umfangreiches Programm. 1808 zählte er zu den Mitbegründern des "Erfurter Apothekerkränzchens", einer der ersten Apothekervereinigungen Deutschlands. Durch fachgerechte Analysen der Quellwässer von Langensalza, Tennstedt und Salzungen legte er den Grundstein für deren Entwicklung als Heilbäder. Außerdem machte sich Trommsdorff um die Rübenzuckergewinnung, um die Agrikulturchemie und um die einheimische Opiumherstellung verdient und förderte in Tollwitz bei Bad Dürrenberg den Bau einer der ersten chemisch-pharmazeutischen Fabriken. Beeindruckend ist die Fülle von Trommsdorffs Veröffentlichungen. In mehr als 500 Artikeln und Monographien stellte er seine wissenschaftlichen Ergebnisse wie auch seine Ansichten und Vorschläge zur Organisation des Apothekenwesens, zur Ausbildung und Altersvorsorgung des Apothekerstandes oder zur sozialen Sicherheit der Apothekergehilfen zur Diskussion. Darüber hinaus verfasste er 15 größere Werke, darunter zahlreiche Lehr- und Handbücher. Ferner schrieb er das erste Lehrbuch der Rezeptur und das älteste deutschsprachige Lehrbuch der Pharmakognosie. Er gehörte zu den Vorkämpfern der Rübenzuckererzeugung, der chemischen Kosmetik und der Landwirtschaftschemie. Das umfangreiche Lebenswerk des Autodidakten wurde von der internationalen Fachwelt auch dann noch anerkannt, als Trommsdorff aufgrund seiner patriotischen Gesinnung in Schwierigkeiten geraten war. 1806 hatte die Stadt Erfurt als Folge der historischen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt vor den Franzosen kapituliert. Trommsdorff widersetzte sich der französischen Besetzung, was dem 36-jährigen Kerkerhaft, Demütigungen und wirtschaftliche Repressalien einerseits, Achtung und Anerkennung von patriotisch gesonnenen Bürgern Erfurts andererseits einbrachte. Trommsdorffs aufrechte Haltung bei seiner denkwürdigen Unterredung mit Napoleon im Juli 1807 in Erfurt, bei der er den im Gefolge der Französischen Revolution enthaupteten Chemiker Lavoisier als den größten Chemiker bezeichnete, ist in die Gesschichte eingegangen. Den bleibenden historischen Leistungen Trommsdorffs ist nicht zuletzt jenes leidenschaftliche Bemühen um eine fabrikmäßige Herstellung qualitativ hochwertiger pharmazeutischer Produkte zuzurechnen, dem er schließlich auch seinen heutigen Nachruhm zu verdanken hat, der bedeutendste Anreger der gesamten industriellen Entwicklung auf chemisch-pharmazeutischem Gebiet gewesen zu sein. Am 4. April 1811 ersucht Trommsdorff die Königlich Sächsische Landes-, Ökonomie-, Manufaktur- und Commerzien-Deputation in Dresden, in Teuditz bei Lützen eine Fabrik zur Herstellung von "Natrium, Soda, Salmiac" errichten zu dürfen. Ausschlaggebend für die Standortwahl war wahrscheinlich die außerordentlich günstige Lage in der Nähe drei bedeutender Salinen oder auch die enge Verbindung zu dem in Teuditz wohnenden Rittergutsbesitzer und Kondirektor der Königlich Sächsischen, Bergrat Heun. Im März 1812 erfolgt die Aufnahme der Produktionstätigkeit, auf dem Grund und Boden des Heunschen Rittergutes. Erster Produktions- und Laborleiter war Heinrich Heun, ein Schüler von Trommsdorff und Sohn des vorgenannten Rittergutsbesitzers. Das Produktionsprogramm umfasste Seignettesalz, phosphorsaures Natron, Goldschwefel, Sodaseife, Salmiak, kohlensaures Natron, essigsaures Natron, Soda, Schwefelmilch, salzsaure Schwererde, Ammoniak, Salpetersäure und konzentrierte Essigsäure. Später wurde u.a. die Zucker- und Sirupproduktion aufgenommen. In den Jahren 1813-1817 erfolgen mehrfach Plünderung und Beschädigung der Fabrik in den allgemeinen Kriegswirren. 1822 zieht sich Trommsdorff aus allen Geschäften zurück. Ferner wirkte Trommsdorff im Dienste der örtlichen Sanitätskommission für Erfurt als die Stadt 1831 von der Cholera heimgesucht wurde. Von den physischen und psychischen Schäden der Haft hat sich Trommsdorff nie ganz erholt. Hinzu kamen der ständige Kampf um die Existenz sowie das Streben nach wissenschaftlicher Anerkennung. Auch familiäre Schicksalsschläge schwächten Trommsdorffs Kräfte. Als er im Winter 1836/1837 an einer Grippe erkrankte, vermochte er deren Folgen nicht zu überwinden. Er hinterließ ein umfangreiches wissenschaftliches Werk, das 34 von ihm allein verfasste zum Teil mehrbändige Bücher und vier weitere Bücher, die gemeinsam mit Koautoren entstanden, 16 übersetzte Werke sowie 512 Zeitschriftenaufsätze umfasst. In sein schriftstellerisches Gesamtwerk sind ferner auf Grund seiner beträchtlichen redaktionellen Arbeit, die sich anhand seines Briefwechsels rekonstruieren lässt, auch die sieben von ihm editierten Zeitschriften einzubeziehen. Eine Vielzahl seiner Schriften wurden in andere Sprachen, darunter Schwedisch, Holländisch, Portugiesisch, Spanisch, Polnisch, Dänisch, Italienisch, Russisch, Französisch und sogar Japanisch, übersetzt. Diese Tatsache vermag ebenso wie Trommsdorffs Mitgliedschaften in 50 nationalen und internationalen wissenschaftlichen Gesellschaften seine wissenschaftliche Reputation und Ausstrahlung zu belegen. Trommsdorff war eine zentrale Figur im internationalen Wissenstransfer und Wissenschaftsaustausch auf dem Gebiet der Pharmazie. Zahlreiche Auszeichnungen zeugen von der staatlichen Wertschätzung seiner Verdienste. Das von Trommsdorff 1795 in Erfurt gegründete "Chemisch-physikalisch-pharmazeutische Institut"(bis 1828) stellte eine erste wissenschaftliche Schule auf dem Gebiet der Pharmazie und Chemie dar, aus der neun spätere Hochschullehrer hervorgingen. Sie wurde zum Vorbild für den modernen akademischen Unterricht, der in der Chemie häufig mit Justus von Liebig (1803-1873) verbunden wird, in seiner Einheit von theoretischer und praktischer Laborausbildung aber eine erste Ausformung durch Trommsdorff erfuhr. Das moderne theoretisch und experimentell ausgerichtete natuwissenschaftliche Hochschulstudium geht daher in seinen Ursprüngen ganz wesentlich auf Trommsdorff zurück. Erfurt lag im Kerngebiet des geistig-kulturellen Lebens, und im Besonderen der chemisch-pharmazeutischen Wissenschaften im deutschen Kulturkreis der Goethezeit. In Erfurt bildete sich gerade durch Trommsdorff ein wissenschaftliches Zentrum. Seine Kontakte reichten nahezu in alle deutschen Territorien und in fast alle europäischen Staaten. Er pflegte u. a. Kontakte nach Konstantinopel, Paris, London, Brüssel, Zürich, Mailand, Prag, Kopenhagen, Stockholm, Amsterdam, Wien, St. Petersburg, um nur die bedeutendsten europäischen Metropolen zu nennen. Mit seinen zahlreichen in- und ausländischen Verbindungen erweist sich Trommsdorff als ein Wissenschaftler von europäischer Bedeutung.
StraßenbenennungErfurt, Altstadt: Trommsdorffstraße Quellen / Literaturwww.erfurt-web.de
mehr: |
|
Letzte Aktualisierung ( 14. 03. 2017 ) |
< zurück | weiter > |
---|