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19. 03. 2024
Haage, Gärtnerfamilie PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Monika Schiecke   
19. 06. 2006
Eine nicht ganz gewöhnliche Gärtnerfamilie in Erfurt

Vor langer Zeit waren Kakteen in Deutschland noch gänzlich unbekannt. Überlieferungen zu Folge wurden die ersten Samen von spanischen Seefahrern mitgebracht, allerdings waren die ersten Pflanzen ein Luxus und nur wirklich Begüterten vorbehalten. Sammlern, Wissenschaftlern, Naturschützern und Gärtnern ist es zu verdanken, daß die Kakteen sich zu einer Pflanze entwickelte, die viele Menschen in ihren Bann zieht.

Eine der Firmen, die von Anbeginn an mit der Züchtung und Verbreitung dieser wunderschönen Pflanzen

dabei war und noch heute, Jahrhunderte später Ihrer Tradition treu ist, ist die Firma Kakteen – Haage.

Bereits seit dem 17. Jahrhundert sind Mitglieder der Familie Haage in Erfurt als Gärtner tätig.

  • Hans Peter Haage (1660 – 1725) von 1685 bis 1725 selbstständiger Gärtner in Erfurt
  • Martin Haage (1695 – 1771) von 1725 bis 1771 selbstständiger Gärtner
  • Johann Heinrich Haage (1737 – 1803) von 1785 bis 1803 in Erfurt selbstständig
  • Johann Nikolaus Haage (1766 – 1814) von 1793 bis 1814 Samen-, Kunst- und Handelsgärtner in Erfurt
  • Friedrich Adolph Haage (1796 – 1866) /Beginn der kommerziellen Kakteenzucht
    Gründer der Firma Friedrich Adolph Haage jun. 1822 bis 1866
  • Friedrich Adolph Haage setzte die Tradition der bereits seit dem 17. Jahrhundert in der Gartenbaustadt Erfurt ansässigen Familie fort.

 

Seine Unterweisung in der Gärtnerkunst erhielt er am Hofe des Königs Friedrich August von Sachsen, von keinem geringeren als von Johann Heinrich Seidel. Am Hofe des Königs wurde der erste nachweisliche Kontakt des Namens Haage mit der Familie der Kakteen dokumentiert, denn dort übernahm der junge Friedrich Adolph die Pflege der Kakteen.

Nach einigen erfolgreichen Wanderjahren kehrte er zurück in seine Heimatstadt Erfurt und gründete 1822 eine kleine Handels- und Samengärtnerei auf einem kleinen Pachtgrundstück, das früher Christian Reichardt gehörte. Zunächst züchtete er Levkojen, Nelken, Goldlack, Astern, Rosen und andere Florblumen.Nach kurzer Zeit erweiterte F.A.Haage sein Sortiment um Kakteen. Ein Steckling der „Königin der Nacht“ war mit dabei, diesen durfte er als Dank vom König mit nach Hause nehmen. Trotz einiger Rückschläge entwickelte sich die kleine Firma bald zu einem bedeutenden Gartenbauunternehmen. Neben der geschäftlichen Tätigkeit nahm sich Friedrich Adolph Haage jedoch immer Zeit, um sich seiner Leidenschaft, den Kakteen, zu widmen und hatte innerhalb kurzer Zeit den Ruf, ein bedeutender Kenner dieser Kultur zu ein. Seine Sammlung war eine der umfangreichsten und vollständigsten ihrer Art.

Als Mitbegründer des kommerziellen Versandhandels erscheint seine erste Versandliste 1824, zwei Jahre nach Gründung seines Unternehmens.

Persönlichkeiten wie Goethe, Liszt oder Humboldt waren bei Ihm zu Besuch und besichtigten seinen Betrieb.

Friedrich Adolph Haage war auch im öffentlichen Leben aktiv tätig, so war er Mitbegründer des Erfurter Gartenbauvereins und wurde zu dessen Ehrendirektor ernannt. Ihm zu Ehren wurde nach seinem Tode ein Denkmal im Steigerwald errichtet.

Gustav Ferdinand Haage (1830-1921) hatte als Sohn und Nachfolger einen sehr schweren Start, da die Auszahlung der Erbteile an die Kinder seiner Brüder das Unternehmen bis an seine Grenzen belastete. Dies nötigte ihn, seine volle Arbeitskraft in die Geschäftsführung zu bringen. Dies führte leider dazu,daß er für die Betätigung im Gartenbauverein, dessen aktives Mitglied er seit 1837 war, kaum noch Zeit blieb.

Im Jahr 1870 musste er wegen dem Bau der Eisenbahn sein bisheriges Betriebsgelände aufgeben und nach Daberstedt verlegen.

Das Umland von Erfurt unterlag damals den Rayonbeschränkungen¹.

Daher bedurfte es eines sehr umfangreichen Genehmigungsverfahrens, das Unternehmen dort anzusiedeln.

All die widrigen Umstände wirkten sich negativ auf den Geschäftsbetrieb aus, und Gustav Ferdinand Haage zog sich bald aus dem Geschäft zurück.

Den Betrieb übergab er an seinen Sohn Ferdinand Friedrich Adolf Haage (1859-1930), der eine umfangreiche Ausbildung erhalten hatte, unter anderem auch in England.

Er leitete den Betrieb ab 1888 und realisierte die Ideen seine Urgroßvaters. Er spezialisierte sich weiter auf die Kultur von Kakteen. Bald hatte er damit sehr großen Erfolg und verkaufte seine Kakteen, anknüpfend an die Kontakte seiner Vorfahren, auch ins Ausland.

Auf allen wichtigen Ausstellunge im In- und Ausland war er mit seinen Pflanzen vertreten und erregte häufig großes Aufsehen.

Zur Erweiterung des Betriebes verlegte Adolf Haage dessen Sitz 1903 erneut, in die Andreasflur 4, wo der Betrieb noch heute seine Kulturen hat.

Er vergrößerte seine Samen- und Pflanzenkulturen in neuen Gewächshäusern.

Doch schon 1914brachen durch den Kriegseinbruch alle Handelsbeziehungen zusammen und der älteste Sohn fiel im Krieg.


Ferdinand Friedrich Haage beschreibt Echinocactus leninghausii, der später in Eriocactus/Notocactus/Parodia leninghausii umbenannt wurde.
Da sein Bruder im Krieg gefallen war, musste Walter Haage (1899-1992) aus sein Botanikstudium verzichten und den Beruf des Gärtners erlernen.

Er erweiterte seinen Horizont während seiner Wanderjahre in Stuttgart, Belgien und Schweden.

Nach seiner Heimkehr konnte Walther Haage seine neuen Kontakte nutzen und baute den vom Krieg geschwächten Betrieb wieder auf.

Trotz Inflation initiiert und finanziert er zahlreiche kostspielige Kakteenexpeditionen in Amerika, um Kakteen zu sammeln. So kommt es auch zur sensationellen Wiederentdeckung des Astrophytum asterias.

Bald schon stand der Name Haage wieder für ein reichhaltiges Spezialsortiment und wurde in alle Welt verkauft.

Durch die erstmalige Gegenüberstellung der beiden Kakteennomenklaturen von Prof. Schumann / Alwin Berger und Prof.Britton / Rose im begehrten bebilderten Haage-Katalog löste zur damaligen Zeit große Diskussionen aus.

Auch schriftstellerisch war Walther Haage tätig, bereits sein erstes Buch „Kakteen im Heim“ erschien in mehreren Sprachen in großer Auflage.

Nach dem Tode seines Vaters im Mai 1930 übernahm Walther Haage die Geschäftsführung und baute den Betrieb zu einem leistungsfähigen Samenzuchtbetrieb aus.

Durch den Volksernährungsplan im Dritten Reich war die Erzeugung von Gemüse primär und die „nichtarischen“ Kakteen mußten in den Hintergrund treten.

Trotz ihres „Schattendaseins“ unter den Tischen wurde die Kakteensammlung weiter gepflegt und auch in dieser schwierigen Zeit waren Kakteen in der Samenliste zu finden.

Doch bald zerstörte der 2. Weltkrieg die Grundlagen des Geschäftes sowie auch alle Verbindungen ins Ausland.

Das Überleben in der Nachkriegszeit verdankt die Kakteensammlung einem Zufall. Der damalige Direktor des Botanischen Gartens, Prof. Baranov, welcher als Stadtkommandant der Roten Armee in Erfurt stationiert war besuchte den Betrieb und einige Tage später trafen mehrere Wagenladungen Kohle ein.

Der Wiederaufbau ab 1945 gestaltete sich sehr schwierig, trotz allem stand der Betrieb bald wieder in alter Blüte. Jedoch brachte die gesellschaftliche Entwicklung immer häufiger Probleme mit sich. Nicht nur Betriebsmittel für Privatbetriebe wurden rationiert, auch hatten deren Eigentümer und Mitarbeiter unter manchen Repressalien zu leiden.

1961mußte Walther Haage staatliche Beteiligungen aufnehmen und 1972 wurde der Betrieb innerhalb einer Woche endgültig in Volkseigentum überführt.

Walther Haage, der bis 1972 Betriebsbesitzer war, verlor mit der Enteignung das Geschäft und dessen Leitung.


Publikationen:

  • Euphorbia- die Welt der Pflanze (1933)
  • Freude mit Kakteen (1954)
  • Kakteensterne- die Astrophyten (1957)
  • Schöne Kakteen richtig pflegen (1962, 1965, 1969, 1976, 1980, 1987)
  • Das Praktische Kakteenbuch in Farbe (1961)
  • Kakteen von A – Z; das Kakteenlexikon (1981)

 

In Ermangelung anderer qualifizierter Personen wurde die Leitung der Brigade Kakteenzucht des VEG Saatzucht Zierpflanzen, wie Kakteen-Haage nun hieß, an Walthers Sohn Hans-Friedrich Haage ( geb. 1942) übergeben.

Er hatte gerade das Studium an der Humboldt-Universität gemeinsam mit seiner Frau Liebgund absolviert.

Da zu Beginn der 70er Jahre Deutschland einen Kakteenboom erlebte, wurde enorm in die Substanz und den Bestand ders Unternehmens investiert.

Fünf zeitgemäße 600 m² Gewächshäuser wurden gebaut und die Produktion wurde stark erweitert.

Walther Haage wurde weiterhin als Saatzuchtleiter angestellt und nahm noch immer, wenn auch inoffiziell,

maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung des Betriebes.

Nebenher schrieb er bedeutende Werke wie „Das Praktische Kakteenbuch“, oder „Schöne Kakteen richtig pflegen“ und brachte damit viele Menschen zur Kakteenliebhaberei. Maßgeblich wurde er dabei von seiner Frau Lotte unterstützt.

Das Lexikon „Kakteen von A – Z“ ist noch heute ein weit verbreitetes Nachschlagewerk für Kakteenliebhaber, ist jedoch noch selten und nur antiquarisch zu bekommen.

Für seine Verdienste um die Sache der Kakteen wurde Walther Haage als Ehrenmitglied in die DKG aufgenommen.

1988 wurde ihm der „Goldene Kaktus“ verliehen, eine Auszeichnung, gestiftet von der verstorbenen Fürstin Gracia Patricia von Monaco für besondere Leistungen auf dem Gebiet der Kakteenzucht.

Hans-Friedrich Haage führte die Brigade Kakteenzucht durch alle Höhen und Tiefen der DDR-Epoche.

Es wurden in dieser Zeit viele Verbindungen im Ostblock geknüpft, zum Beispiel mit Dr. Georg Wolsky (Botanischer Garten Leningrad), aber auch mit dem sogenannten nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet wurden Verbindungen gehalten. Dies war zum Teil nicht ganz ungefährlich, sicherte jedoch einen gewissen Nachschub an Neuheiten aus dem „Westen“.

Ab 1989 wuchsen auch die unterbrochenen Verbindungen recht schnell wieder zusammen,z.B. Mit der DKG Ortsgruppe Kassel. Ebenso internationale Verbindungen wurden wieder lebhafter und nahmen ihren ursprünglichen Platz ein, so auch der nie ganz abgebrochene Kontakt zu der Städtischen Sukkulentensammlung Zürich. Auch die Verbindungen zu den deutschen Botanikern und Kakteenzüchtern waren bald wieder auf dem laufenden.

Für Walther Haage war es wohl eine der größten Freuden, als er in seinen letzten Tagen miterleben durfte, wie sein Sohn Hans-Friedrich die Firma wieder zurück in den Familienbesitz überführte.

Für Hans-Friedrich Haage begann die Rückführung mit dem sogenannten „Sprung ins kalte Wasser“, in die noch etwas ungewohnte freie Marktwirtschaft. Kakteenfreunde aus aller Welt waren waren ihm jedoch eine sehr große Hilfe beim Neuanfang, war der Name Haage doch vielen noch mit besonderer Bedeutung bekannt.

Schon nach drei Jahren zeigte es sich , daß die Entscheidung, der Tradition des Kakteenversandes trotz der fast aussichtslosen Lage nach der Wende zu folgen, richtig war.

Für viele im In- und Ausland zählt noch immer der altbekannte Ruf von Haages erstklassigem Saat- und Pflanzgut und Kakteen-Haage ist inzwischen wieder fest etabliert. Die Pflanzen der Sammlung sind nach alter Tradition immer wieder auf Gartenschauen in ganz Deutschland zu sehen und zu bewundern.


Publikationen:

  • Kakteen / Neumanns Ratschläge (1993)
  • Kakteenratgeber für Kakteenfreunde (1998)
  • Kakteen (2002)

 

Durch Ulrich Haage (geb. 1970) ist der Fortbestand der Firma für das nächste Jahrtausend bereits gesichert.

Der Sohn von Hans-Friedrich Haage hat 1994 seine Ausbildung beendet.

Seine Wanderjahre führten Ihn durch verschiedene Gärtnereien in Deutschland, Belgien und Guatemala. Er absolvierte Praktika am Royal Botanic Garden, Kew und der Städtischen Sukkulentensammlung Zürich.

Im 175. Jahr des Bestehens der Firma übernahm er die Gärtnerei 1996 von seinem Vater um damit in das Vermächtnis seiner Urahnen hineinzuwachsen.


Publikation:

- Kakteen zum anbeißen (das kleine Kakteenkochbuch)

 

¹ Rayonbeschränkungen galten damals für alle deutschen Festungen, d.h. dass alle baulichen Veränderungen und Erdaufschüttungen, welche dem Feind zum Vorteil hätten verhelfen können eines sehr umfangreichen Genehmigungsverfahrens bedurften. Die Rayonbeschränkungen für Erfurt wurden am 01.10.1873 aufgehoben.

 

   Notocactus     leninghausii                                                                Astrophytum asterias

Die von Friedrich Adolph Haage 1822 gegründete Erfurter Ziergärtnerei hat die gleiche Bedeutung wie Christian Reichardt für den Gemüsebau.

Seit 1992 gibt es bei Kakteen-Haage ein kleines Kakteen-Museum. Dort wird die Geschichte der Kakteenzucht in Europa im Allgemeinen und die Historie der Kakteengärtnerei Haage im Speziellen erzählt und durch noch vorhandene Dokumente und andere Ausstellungsstücke untermauert.

 

(Quellen: Stadtarchiv Erfurt; http://www.haage-kakteen.de/)

Letzte Aktualisierung ( 22. 03. 2016 )
 
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