www.mamboteam.com
Startseite arrow Geschichte arrow Gartenbau arrow Benary-Samenzucht - eine deutsche Firmengeschichte
06. 12. 2023
Benary-Samenzucht - eine deutsche Firmengeschichte PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Detlef Tonn   
14. 04. 2016
Lehre in Europas Gärtnereien

Am 28. Juli 1843 gründete Ernst Benary in Erfurt sein Samenzuchtunternehmen.  Als Benary die Gründung seiner Firma vorbereitete. hatte der Erfurter Gartenbau in Deutschland und in Europa schon einen guten Ruf. Vor allem Christian Reichart (1685 bis 1775) war Wegbereiter des intensiven Erfurter Gartenbaus vor den Toren der Stadt.

Die ersten Samenzuchtbetriebe entstanden schon Mitte des 18. Jahrhunderts. Aber erst mit dem beginnenden Abbau der Zollschranken in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann der Aufschwung von Erfurter Samenzucht und Samenhandel, der mit der Gründung von sechs Betrieben von 1813 bis 1843 seinen Ausdruck fand.
Ernst Benary wurde am 10. November 1819 als achtes Kind des Bankiers Salomon Benary in Kassel geboren. 1822 zog die Familie von Witzenhausen nach Erfurt. Hier verlebte er seine Kindheit, und 1829 wurde er in das Gymnasium aufgenommen. Als er 9 Jahre alt war, starb Sein Vater, fünf Jahre später auch seine Mutter. Deshalb verließ er 1835 die Schule, um Gärtner zu werden. Es ist zu vermuten, dass seine Mitschüler Ernst Blitz und Franz Heinemann (Gründer des Samenzuchtbetriebes F. C. Heinemann im Jahre 1848) zum Berufswunsch beitrugen.

Er begann bei dem damals wohl bekanntesten Samenzuchtbetrieb Erfurts, bei Friedrich Adolph Haage junior, eine Lehre. Sein Lehrherr bescheinigte ihm mit dem Zeugnis vom 1. April 1838, dass er die Lehrzeit richtig bestanden habe, treu, fleißig und geschickt sei und dass er ihn wegen seines Wissens und Könnens sowie seines sittlichen Betragens jedermann bestens empfehlen könne.

In der Zeit der üblichen Wanderschaft bildete er sich in der Gärtnerei S. F. Bock sowie in der Samenhandlung Stumpf und Pfefferkorn in Frankfurt/ M., bei der Blumen- und Samenfirma Simon Louis Fréres in Metz, beim Jardinier Fleurist Ryfkogel in Paris, beim Warmhauspflanzenbetrieb Hugh Lew & Co. in Clapton bei London sowie im berühmten botanischen Garten von Kew weiter. Mit diesem Wissen und Können ausgerüstet, kehrte Ernst Benary 1843 nach Erfurt zurück, um sich selbständig zu machen.

Nur das Beste ging außer Haus

Nach seiner Rückkehr mietete er eine Wohnung in der Erfurter Eichenstraße, in der er eine Samen- und Pflanzenhandlung eröffnet. Im Dezember 1843 gab er ein Preisverzeichnis mit Angeboten von Samen und Pflanzen heraus. Es ist das erste Dokument der jungen Firma.

Ein Jahr später zog er mit Geschäft und Wohnung in die Schlösserstraße, Ecke Barfüßerstraße, und er pachtete ein Gartengrundstück am Brühler Tor mit dem Haus "Zur Kröte" (Brühler Straße 40). Hier begann er den Aufbau seiner Kunst- und Handelsgärtnerei.

Entsprechend seiner Ausbildung stellte Ernst Benary Samenzucht und Samenhandel in den Mittelpunkt der Arbeit. Dabei enthielten die ersten Preisverzeichnisse die von den Erfurter Gärtnern bevorzugten Samenspezialitäten wie gefüllt blühende Levkojen, Astern, Stiefmütterchen, aber auch Gemüsesamen wie den Blumenkohl "Erfurter" oder "Haage'scher Zwerg".

Benary entwickelte den in den folgenden Generationen bewahrten Leitgedanken der Firma, dass Samen Vertrauenssache ist und nur der Kundschaft erwerben und erhalten kann, der dieses Vertrauen in das Saatgut rechtfertigt: "Nur das Beste darf mein Haus verlassen", denn "wie die Saat, so die Ernte".

Seinen Erfolg verdankte er aber auch kaufmännischer Begabung und Tüchtigkeit, seiner Umsicht und dem sicheren Gefühl für Erfordernisse und Möglichkeiten. Ohne Reklame, mit schlichter und solider Aufmachung seiner Kataloge, verstand er es, die Aufmerksamkeit auf sein Qualitätssaatgut zu lenken. Für den Export wurden Verzeichnisse in englischer, und französischer Währung herausgegeben, die Korrespondenzen in den Sprachen der Kunden geführt. Den englischen Gärtnern mit ihrer hohen Gartenkultur wurden "Benary's Choice Flower Seeds" ebenso unentbehrlich wie Gärtnern in anderen europäischen Ländern und Übersee.

Bald schon waren die Möglichkeiten des ersten Pachtgrundstückes erschöpft. 1846 erwarb Ernst Benary sein erstes eigenes Grundstück. Dem folgten weitere in der jetzigen Melanchthon- und Gorkistraße (ehemals Burgstraße ), am Espach, an der Friedrich-  Heinrich- und Rudolfstraße, im Borntal sowie in der Brühler Flur.

Ernteschmaus im Ratskeller

Schon 1863 wurden 1500 Frühbeetfenster, 13 Gewächshäuser und fast 20 ha Freilandfläche bewirtschaftet. In der Heinrichstraße standen Gebäude für die Samenaufbereitung und -lagerung zur Verfügung. Wohnung und Privatkontor des Firmengründers befanden sich auf dem Stammgrundstück Brühlerstraße 40/41, daneben in dem Fachwerkbau die Räume für Samenlagerung und -handel sowie Werkstätten.

Das Wachstum der Firma erforderte auch eine Vergrößerung der Anzahl der Mitarbeiter. Bei ihrer Auswahl bewies Ernst Benary gute Menschenkenntnis und die Fähigkeit, tüchtige Männer an sich zu binden und sie zu motivieren. So gewann er seinen Jugendfreund Joseph Sternecker 1864 als Obergärtner, der zahlreiche junge Gärtner heranbildete. In der kaufmännischen Leitung war sein Freund Unger, der ganz zur Familie gehörte, seit 1866 rechte Hand und Vertrauensperson. Aber in der Reihe derer, die besonders zur Entwicklung des Unternehmens beitrugen, ist Ernst Benarys Ehefrau Bella, geb. Jonassohn zu nennen, mit der er seit dem Jahre 1845 vermählt war. Diese fleißige und energische Frau setzte sich sowohl für die Betreuung der 8köpfigen Familie als auch mit ganzer Kraft für die Firma, besonders im sozialen Bereich, ein.

Das Verhältnis des Firmengründers zu seinen Mitarbeitern war ausgesprochen freundschaftlich. Gemeinsam wurde vom frühen Morgen bis in die Dunkelheit gearbeitet, aber auch für Freude nach getaner Arbeit gesorgt. Der Ernteschmaus in der Gaststätte "Milchinsel" oder im "Alten Ratskeller" vereinte Ernst Benary und seine Mitarbeiter am Ende eines jeden Vegetationsjahres. Später zog man zum Erntedankfest mit allen Mitarbeitern und deren Angehörigen ins "Grüne Tal" nach Hochheim. Auch der 1880 gegründete Gesangsverein Benary vermittelte zahlreiche Gemeinschaftserlebnisse.

Stets sorgten sich Ernst Benary und seine Nachfolger um das Wohl ihrer Mitarbeiter. Bereits 1879, fünfeinhalb Jahre vor der gesetzlichen Krankenversicherung, gründete er eine Betriebskrankenkasse, der im Jahre 1890 die Hilfskasse für besondere Notfälle folgte. Beide Einrichtungen waren bahnbrechend und ein Zeugnis der sozialen Verantwortung.

Einweihung des Geschäftshauses war Krönung seines Lebenswerkes

Die ersten 50 Jahre der Firma waren äußerst erfolgreich. Gemeinsam mit seiner Familie und seinen treuen Mitarbeitern hatte Ernst Benary die kleine Gärtnerei zu einem bedeutenden Samenzucht- und Handelsbetrieb entwickelt. Die Söhne Friedrich (ab 1875 Prokurist) und John (ab 1877 Prokurist) arbeiteten im Unternehmen mit und garantierten die erfolgreiche Entwicklung. Die Produkte der Firma Ernst Benary hatten den Namen Erfurts als Blumen- und Samenstadt in der Welt bekannt und berühmt gemacht. Der Gründer und Seniorchef zählte zu den geachteten Persönlichkeiten des nationalen und internationalen Gartenbaus sowie seiner Heimatstadt Erfurt. Für seine Verdienste wurde er anlässlich der Kaisertage und des Besuches der Kaiserin Augusta Viktoria in der Firma Benary im September 1891 durch den König Albert von Sachsen mit dem Ritterkreuz des Albrechtordens 1. Klasse ausgezeichnet. An seinem 70. Geburtstag, am 10.11.1889, wurde er zum Königlich-Preußischen Geheimen Kommerzienrat und zum Ehrenmitglied des "Vereins zur Förderung des Gartenbaus in den preußischen Staaten" ernannt. Am meisten freute er sich aber über die großen Lederbände mit einer Sammlung von 500 Fotografien von seinen Geschäftsfreunden aus der ganzen Welt, mit denen diese ihre Zuneigung gegenüber dem Jubilar zum Ausdruck brachten.

Krönung des Lebenswerkes des Firmengründers Ernst Benary war die Einweihung des neuen Geschäftshauses in der Burgstraße (heute Gorkistraße). Der mit Weitsicht und Großzügigkeit von John Benary geplante Bau wurde im Jahre 1890 fertiggestellt und entspricht noch heute den Anforderungen eines Samengeschäftes. In der Gewißheit, dass das Lebenswerk durch seine Söhne Friedrich und John getreu den Grundsätzen „Immer reell, qualitativ zuverlässig, sozial zu den Mitarbeitern" fortgeführt wird, schied Ernst Benary am 19. Februar 1893 aus dem leben. Nach dem Tode des Firmengründers führten seine beiden Söhne Friedrich (geb. 4.1.1850) und John (geb. 23.3.1853) die Firma gemeinsam weiter.

Dr. Eberhard CZEKALLA, Erfurt

Quelle

TA 1993, Übernahme der kleiner Artikelreihe zum 150. Jahrestag der Firmengründung des Samenzuchtunternehmens

Schenkung der Firmenbibliothek

2018 schenkt die Familie Benary der Fachhochschule Erfurt ihre etwa 1 000 Bücher und Zeitschriften umfassende Firmenbibliothek zu den Themen Pflanzenkunde, Landschafts- und Gartenbau sowie Pflanzenzüchtungsverfahren mit dem Wunsch, sie vollständig an einem Ort zu erhalten und künftig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu erschien die FHE als die kompenente Stelle, der mit der Überlassung großes Vertrauen in die künftige Pflege und Erschließung bezeugt wird. Die in deutscher, aber auch englischer und französischer Sprache erschienen Kataloge und sonstigen Publikationen stammen überwiegend aus der ersten Hälfte des 20. Jhs., gehen in ihren ältesten Exemplar aber bis in das 18. Jh. zurück.
Der Erhalt der Sammlung ist einem Mann zu danken, dem früheren Mitarbeiter der Firma, Heinrich Baudis, der die Bücher nach der Enteignung des Unternehmens und der Flucht der Familie Benary nach Hannoversch Münden als Treuhänder an sich nahm und sie nach 1990 in einem erstaunlich guten Zustand Rudolf Benary unverhofft zu Rücknahme anbot.
Mit der glücklichen Überlassung an die FHE erfährt die Forschung zur Geschichte des Gartenbaus in Erfurt an ihrem Wirkungsort eine bedeutende Bereicherung. D.T.

Letzte Aktualisierung ( 24. 01. 2020 )
 
< zurück   weiter >
Nach oben
Nach oben